Ein persönlicher Jahresrückblick

Das Jahr nähert sich akut seinem Ende. Zeit, es noch einmal Revue passieren zu lassen und auf das Beste zurückzublicken.

Beste Filme des Jahres:

So etwas habe ich lange nicht erlebt: ein Film ohne jegliche Effekte und ohne einen allzu dramatischen Spannungsbogen fetzt mich total weg: „Mid90s„, das Regie-Debüt von Jonah Hill hat mich in diesem Jahr mit Abstand am meisten beeindruckt. Eben gerade deswegen, weil der Film wie aus dem Leben gegriffen wirkt. Wir erleben wie der 13jährige Stevie Mitte der 90er Jahre in eine Skater-Clique aufgenommen wird und so endlich ein wenig Anerkennung bekommt, während in seiner Familie alles voller Konflikte ist. Der Ehrgeiz und die Unerschrockenheit des jungen Stevie werden von Sunny Suljic wunderbar in Szene gesetzt. Am Ende war ich sehr verwundert, dass ein Film, der offensichtlich keine große Geschichte erzählen will, im Kleinen doch so viel Story bietet und mich dermaßen gut unterhält.

Aber wenn ich hier „Mid90s“ nenne, darf ich auch nicht „Eighth Grade“ unter den Tisch fallen lassen. Ein ebenso unaufgeregter, ebenso authentischer Film, der sich ebenfalls mit einem Teenager beschäftigt, der auf der Suche nach Anerkennung ist. Beide Filme spielen in einer Liga. Auch von dessen Hauptdarstellerin Elsie Fisher möchte ich in Zukunft gerne noch mehr sehen. Coming-of-Age-Filme waren bei mir in diesem Jahr die großen Gewinner.


Alles in allem war das Filmjahr 2019 für mich eher unaufgeregt und hatte nicht wirklich viele Highlights. Mit „Der Goldene Handschuh“, „6 Underground“ und „Green Book“ gibt es nur noch drei andere Filme, die bei mir auf Letterboxd die begehrte Höchstwertung erhalten haben. Der als Bester Film mit dem Oscar prämierte „Roma“ ist knapp an der Höchstwertung vorbeigeschrammt. Der viel diskutierte „Joker“ lebte für mich vor allem von der darstellerischen Leistung von Joaquin Phoenix, fiel inhaltlich aber ein wenig ab.
Ein weiterer Trend: die großen Franchises wie Marvel-Verfilmungen oder Star Wars habe ich zwar auch mitgenommen, aber bei weitem nicht mehr so abgefeiert wie in früheren Jahren. Die Formate haben sich langsam abgenutzt.

Beste Serien des Jahres:

Jetzt wird’s schwierig: was habe ich dieses Jahr alles an Serien gesehen! Auf den ersten Schlag würden mir zwei Drama-Serien einfallen, die mich in diesem Jahr sehr bewegt haben. Zuerst wäre da „The Kominsky Method“. Michael Douglas spielt mit viel Selbstironie einen alternden Hollywood-Star, der eine eher erfolglose Schauspielschule betreibt. Alan Arkin spielt dessen kauzigen Manager. Von der ersten Folge an habe ich die beiden Sturköpfe ganz fest in mein Herz geschlossen. Sie verkörpern für mich den Inbegriff einer lebenslangen Männerfreundschaft. Die Serie hat sehr oft etwas geschafft, das nur sehr wenige schaffen: dass man gleichzeitig aus Rührung weinen und wegen des Humors lachen muss. Virtuell habe ich vor allem Alan Arkin quasi in jeder Sekunde geknuddelt und geherzt. Die zwei Staffeln auf Netflix waren definitiv zu schnell vorbei.

Sehr häufig gerührt hat mich auch das wundervolle „This is us“, das uns mehrere Generationen einer Familiengeschichte in Los Angeles miterleben lässt. Alle Charaktere sind sehr sympathisch und wirken nicht konstruiert. Bei vielen Dialogen haben die gewählten Worte bei mir mitten ins Herz getroffen.

Erwähnenswert ist auf alle Fälle auch „After Life“ von und mit Ricky Gervais. Er spielt einen grantigen Witwer, der nach dem Tod seiner Frau keinen Sinn mehr im Leben sieht und eigentlich nur noch aus Gewohnheit seinen Job als Lokaljournalist betreibt. Gervais zeigt hier, dass er nicht nur auf plumpen Humor setzt, sondern durchaus auch mal einige nachdenkliche Gedanken zulässt. Mit sechs Folgen von knapp einer halben Stunde eigentlich eher ein etwas längerer Film als eine Serie. Aber auf jeden Fall eine Seh-Empfehlung.

Eifrig durchgebinged haben wir in diesem Jahr auch „Broadchurch“, „The Mandalorian“, „You“, „Designated Survivor“, „How To Sell Drugs Online Fast“ und „The Spy“ – um nur die sehenswertesten zu nennen. Besonders sehenswert ist noch „Unbelievable“, eine Krimiserie, in der ein Serienvergewaltiger gesucht wird. Dass hier auch vor allem auch die Folgen für die Opfer stark thematisiert werden, macht die Serie besonders intensiv und sehenswert.

Buch des Jahres:

Hier wird es schon ein wenig einfacher, denn sooo viel habe ich nicht gelesen. Aber immerhin mehr als ein gutes Dutzend Bücher sind es dann doch geworden. Am meisten beeindruckt hat mich dabei „Hologrammatica“ von Tom Hillenbrand. Wie es manchmal so ist: man schnappt irgendwo auf, dass der Roman den Deutschen Science-Fiction-Preis gewonnen hat und denkt sich dann: „Hey, ein Science-Fiction-Roman von einem Deutschen? Und dann sogar einen Preis gewonnen? Schau doch mal rein.“. Gesagt – getan. Der Roman spielt in einer Zukunft, in der sämtliche Flächen der Welt mit Hologrammen versehen werden können. Der rostige Eiffelturm glänzt auf einmal wieder wie neu, aus Baracken werden augenscheinlich wohnliche Häuser usw. Mit speziellen Brillen können diese Hologramme ausgeblendet werden. Und noch besser: der Mensch hat eine Möglichkeit gefunden, sein Bewusstsein in einen anderen Körper zu laden, ja sogar künstliche Körper zu züchten, die für gefährliche Arbeiten benutzt werden können. Klingt fantastisch? Ja, ist es natürlich auch. Aber Hillenbrand schafft es meisterhaft, diese Welt (be-)greifbar zu machen, die Auswirkungen von technischen Neuerungen aufzuzeigen, die es schon heute gibt und daraus einen spannenden Thriller zu stricken. Er nimmt sich viel Zeit, um seine Welt auszugestalten und zu erklären. Für mich ein Roman, der nicht nur an der Oberfläche des Themas „Zukunft“ kratzt, sondern in vielen Belangen schon fast zu konkret aufzeigt, wie Technik sich in die Gesellschaft integriert – und vor allem wie die „Bestie Mensch“ diese Technik für sich be- und ausnutzt.

Song des Jahres:

Eigentlich lohnt sich so ein Spotify-Abo für mich überhaupt nicht. Im Alltag höre ich so selten Musik, dass quasi jeder Cent herausgeschmissenes Geld ist. Umso schwerer ist es für mich auch, einen Song des Jahres zu küren. Im vergangenen Jahr habe ich bei Netflix „Expedition Happiness“ gesehen. Felix Stark dokumentiert darin seine Reise durch Amerika in einem ausrangierten Schulbus. Begleitet wurde Stark von seiner damaligen Freundin, der Sängerin Mogli. Sie hat auch den Soundtrack zum Film gemacht, der auch im Trailer zu hören ist. Besonders abgeholt hat mich der Song „Road Holes“, der mich sehr, sehr oft beim Pendeln auf dem Weg zur Arbeit begleitet hat. Während ich in der drögen S-Bahn unterwegs war, erschienen vor meinem inneren Auge wieder die faszinierenden Naturaufnahmen aus der Dokumentation. Tolle Stimme, sphärische Klänge, treibender Rhythmus. Schön!

Podcasts des Jahres:

In diesem Jahr gab es zwei Neuentdeckungen, die ich nicht mehr missen möchte. Zum einen wäre da das Hotel Matze. Matze Hielscher ist ein Start-Upper, der das Portal MitVergnuegen.com betreibt. In seinem Interview-Podcast schafft er es, zu vielen bekannten Persönlichkeiten eine so freundschaftliche Ebene aufzubauen, dass aus dem Interview vielmehr ein Gespräch wird. Oftmals klingt es nicht nur vertraut, denn Matze ist mit einigen seiner prominenten Gäste auch befreundet. Er dient sich den Promis nicht an, sondern redet mit ihnen auf Augenhöhe. Hier erfährt man häufig genau das, was man bei „NDR Talk Show & Co.“ eben nicht erfährt.

Die andere Neuentdeckung hat ein Podcast-Konzept, das so einfach wie genial ist. Bei „Alles gesagt“ entscheidet der Interview-Gast selbst, wann das Gespräch beendet wird. Und so kann es wie etwa bei Rezo durchaus vorkommen, dass das Gespräch mehr als 8 Stunden dauert. Nicht nur durch die Gäste, sondern auch durch die beiden Moderatoren ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend und ZEIT-ONLINE-Chefredakteur Jochen Wegner wird der Podcast zu etwas ganz besonderem. Als Top-Journalisten sitzen die beiden natürlich an der Quelle und recherchieren zu jedem Gast dermaßen viele Details, Zitate und Anekdoten, dass sie ohne Probleme ein Gespräch über Stunden am Laufen halten können. Gereicht werden unterdessen Wein und leckeres Essen. In mehr als fünf Stunden erlebt man beispielsweise einen Herbert Grönemeyer, wie man ihn wohl nicht erwartet hätte. Mein besonderes Highlight ist das zweite Gespräch mit Ulrich Wickert, das für mich vermutlich die unterhaltsamsten knapp 5 Podcast-Stunden des Jahres waren.

Gadget des Jahres:

Was die Technik angeht, wird es sportlich. Im November habe ich mir einen neuen Fitness-Tracker gekauft. Es ist der Vivoactive 4 von Garmin geworden. Und ich habe es noch keinen Tag bereut, von der Fitbit Ionic gewechselt zu sein. Sowohl was die Anzahl der verbauten Sensoren als auch die Akkuleistung angeht, ist diese Uhr dem Flaggschiff von Fitbit überlegen. Während etwa eine vierstündige Radtour bei der Fitbit gerne mal 50 % des Akkus fressen, sind es bei der Garmin gerade mal 20 %. Hinzu kommen Sensoren für Puls, Sauerstoffsättigung, Stress, Schlaf, Atmung etc, unzählige Watchfaces, nachinstallierbare Apps und und und. Ein echt guter Wechsel.

Ganz dicht dahinter: unser Rasenmäh-Roboter „Ro-Mäh-O“, der mir dieses Jahr viel Zeit gespart hat, die nicht für dröges Rasenmähen drauf gegangen ist.

Persönliche Highlights des Jahres:

Ach, da gäbe es natürlich viele zu nennen. Ein Highlight, das mich ein wenig stolz macht: ich habe in diesem Jahr erstmals mehr als 5.000 Kilometer mit dem Rad gefahren – mehr als mit dem Auto. Im November haben wir uns eine kleine Auszeit vom Herbst genommen und noch ein wenig auf Mallorca Sonne getankt. Die Chance habe ich genutzt, um auf 440 Rad-Kilometern den Norden der Insel ein wenig zu erkunden. Besonders in Erinnerung ist mir die „Abfahrt nach Santa Margalida“: nachdem ich mich mühsam durch die Hügel gequält habe, ging es hier gemächlich bergab, so dass ich kilometerlang nicht treten musste. Und so rauschte ich langsam dem verschlafenen Örtchen Santa Margalida entgegen, das mich mit der kargen Wüste drum herum ein wenig an „Rango“ erinnert hat. Wenn ich das Bild sehe, habe ich sofort wieder die trockene Luft in der Nase. 😉

Ein anderes Highlight, mit dem ich so eigentlich gar nicht gerechnet hatte: unser Besuch im Petersdom im Vatikan. Der hat mich mehr mitgenommen, als ich erwartet hätte. Mehr dazu gibt es in meinem persönlichen Blog zu lesen.
Und 2019 war dann endlich das Jahr, in dem ich Sting mal live auf der Bühne erleben durfte. Auch nicht schlecht.

Das war es zum Jahr 2019 von meiner Seite. Wie sah das Jahr bei Euch so aus? Was waren Eure Highlights? Schreibt es gern in unsere Kommentare.

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