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Der Film Noir – Nerdtalk Classics

Eine der ersten Themen, mit denen sich Betti und Lars während des Filmstudiums beschäftigten, war der Film Noir. Was ist eigentlich Film Noir? Und warum ist dieses Genre überhaupt für den Film so faszinierend? Ist Film Noir überhaupt ein Genre und wenn nicht, was ist es dann? Wie kommt es, dass Filmwissenschaftler sich bei der Definition des Begriffs gar persönlich angreifen? Wir finden es heraus!

Literaturhinweise:

Filme zum Film Noir



Timecodes:

(00:00:00) Nerdtalk Classics: Der Film Noir - Nerdtalk #654
(00:02:35) Was ist Film Noir?
(00:07:05) Was zeichnet den Film Noir aus?
(00:12:23) Welche Wirkung/Aussage hat der Film Noir?
(00:15:27) Warum tut sich die Filmwissenschaft so schwer mit dem Genre Film Noir?
(00:20:49) Warum gab es in den 1940ern eine Ballung des Film Noir?
(00:31:13) Wie kam es zum Neo Noir?
(00:37:17) Was ist die Faszination am Film Noir?
(00:42:57) Warum ist der Film Noir overhyped?


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Phil
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Sendung von Nerd Talk Extended.
Für die, die jetzt spontan diese Sendung nicht einordnen können,
ist eine reguläre Sendung, wo wir ein bisschen mehr auf einzelne Themen eingehen.
Es gab schon eine Sendung, dort sind wir auf Filmwissenschaften eingegangen.
Und ja, wir wollen natürlich dann dieses Mal auch wieder ein bestimmtes Thema
aus dem Bereich Film aufarbeiten.
Wer sind wir? Natürlich ich, Phil, der Esel immer zuerst. Und dann als nächstes
natürlich Ladies First. Hallo Betty.
Gast
Hallo Phil.
Phil
Ja, und du bist ja jetzt nicht ganz alleine, du hast ja männliche Verstärkung mitgebracht.
Gast
Ja, ich habe mich eingeladen.
Phil
Du hast dich eingeladen, das geht natürlich auch. Du sitzt neben Lars,
so wie ich das verstanden habe.
Gast
Das ist völlig richtig. Hallo Phil, hallo Betty, hallo liebe Hörer da draußen
an den Erfangenungsgeräten.
Auch von mir willkommen zur zweiten Nerd Talk XM. Wir sitzen immer noch slash
schon wieder bei mir in der Küche, denn der Hörer, der vielleicht die erste
Folge gehört hat, weiß, wir nehmen diese zweite Folge gerade direkt im Anschluss
auf. für euch liegen mindestens vier Wochen.
Phil
Nein, da waren vier Wochen dazwischen.
Gast
Genau, da sind vier Wochen dazwischen. Zeitlichkeiten. Deswegen,
wir sagten das in der ersten Episode schon, ich wiederhole mich jetzt, aber für euch ja nicht.
Wir konnten auf Feedback nicht eingehen. Aus der letzten Folge wollen wir diese,
wie gesagt, direkt im Anschluss aufnehmen, aber wir freuen uns trotzdem.
Vielen Dank für die vielen Kommentare, die ihr geschrieben habt.
Phil
Ja, das war wirklich toll. Auch die Diskussionen, die in den Kommentaren aufgekommen sind.
Gast
Finde ich vollkommen gut. Ja, richtig gut, richtig. Genau, also,
ja. hoffentlich kein was gut an, was wir gemacht haben. Diese Folge wird jetzt
ein bisschen praktischer, ein bisschen konkreter.
Nicht mehr so ganz abstrakt, theoretisch wild rumgesprungen wie in der ersten
Episode. Wir haben jetzt ein konkretes Ziel vor Augen.
Oder auch nicht.
Phil
Und dieses konkrete Ziel, dieses konkrete Thema heißt Film-Noir,
beziehungsweise Neo-Noir.
Finde ich an sich ganz interessant, weil wahrscheinlich, also bei mir zumindest
in der Sichtweise ist dieser Film oder dieses Genre, da kommen wir wahrscheinlich
auch nochmal drauf zu, ist es überhaupt ein Genre, relativ unbeleuchtet.
Aber seitdem ich diesen Begriff so ein bisschen gehört habe,
habe ich mir ein paar Filme angeguckt und ist tatsächlich so eine besondere
Beleuchtung schon wert.
Was mich jetzt, oder was wahrscheinlich nicht nur mich, sondern auch viele andere
interessieren würde, gleich erstmal im Grundsatz, was ist Film Noir?
Gast
After all, what is a Film Noir? Genau, es gibt einen berühmten Aufsatz von Paul Schrader.
Paul Schrader könnte man kennen als Drehbuchautor von unter anderem Taxi Driver
und Jakuza, heißt der andere, glaube ich, also ein Drehbuchautor,
der mit Martin Scorsese zusammengearbeitet hat in den 70ern und aber auch Filmkritiker
war und ein paar theoretische Texte geschrieben hat.
Unter anderem einen ganz berühmten Aufsatz, den wir euch auf jeden Fall mit
in unsere Literaturliste in die Show Notes packen werden, nämlich den Aufsatz
Notes on Film Noir in ganz kurzer Zeit.
Aufsätze gibt es im Internet auch irgendwo zu lesen, indem er sich genau an
dieser Frage abarbeitet, was ist denn eigentlich Film Noir und damit sind wir
genau in den Punkt, in den diese Episode ein bisschen in den Fokus rücken soll.
Worum handelt es sich dabei und damit kann man dann glaube ich auch gleich in
eine der häufigen Fragestellungen der Filmwissenschaft oder der Filmbetrachtung
ein bisschen am Rande mit kratzen, wie kann man Genres greifen oder was ist
das Problem, was sich dabei ergibt.
Wir können natürlich jetzt nicht ausgiebig in die Genredebatte einsteigen.
Umfangreich geführt wird.
Genau, unsere Universität, Professor Hermann Kapelhoff, der Professor unseres
Instituts, forscht in der Richtung umfangreich und das, also,
da kann man Stunden und Stunden mit füllen, deswegen, wir kratzen das ein bisschen an,
wollen aber natürlich den Fokus auf den Film-Noir selber belassen.
Phil
Ja, du hast trotz alledem noch nicht die Frage beantwortet, was ist denn nun Film Noir? Genau.
Gast
Vielleicht fangen wir an mit der Geschichte, mit der rein faktischen Lage.
Warum ist das so ein Problem? Was sind denn die Film-Noirs überhaupt?
Der Film-Noir ist ein, ich nenne es jetzt Genre,
dazu kommen wir nachher noch, ist ein Genre des Kriminalfilms,
eine Art des Kriminalfilms, der sich in der späten Kriegszeit,
in der Nachkriegszeit in Amerika gebildet, in den 40ern bis in die 50er hinein
in Hollywood produziert wurde.
Vor allem, also das ist schon mal zur Einordnung, glaube ich,
sehr wichtig. Es ist wirklich grundsätzlich erstmal eine amerikanische Spielart.
Genau, es ist eine amerikanische Filmsorte, die auch eben einen sehr engen,
konkreten historischen Rahmen hat, nämlich, ich sage das gerade,
40er und 50er des letzten Jahrhunderts.
Man liest viel, dass es einen Anfangsfilm mehr oder weniger und einen Endfilm gibt.
In der Regel wird irgendwie die Spur des Falken 1941 als mit der erste Filmnoir
kennzeichnet und gerade diese erste Phase wird 1958 mit Touch of Evil von Austin Wells beendet.
Das ist so in der gängigen Literatur die zeitliche Einordnung,
in der man sich bewegt, wenn man sich mit dem klassischen Film Noir beschäftigt. Genau.
Und wie man diesen Film Noir nun greifen kann, warum das so eine eigene Art
von Film ist und nicht einfach man das als Chemie bezeichnet oder als Thriller
bezeichnen kann, darauf kommen wir gleich zu sprechen. Man kann es aber weiterführen.
Der Film Noir war in den 50ern, 60ern nicht ganz so präsent,
kam aber plötzlich in den späten 60ern,
allerspätestens mit Filmen wie Taxi Driver eben oder Chinatown kam das Ganze
wieder unter dem Phänomen Neo-Noir, wurde das dann meistens gefasst und da scheiden
sich die Geister enorm, was nun alles zum Neo-Noir gehört und was nicht.
Im Prinzip kann man Spuren des Filmnoir bis in die Gegenwart verfolgen und Filme
finden, die da bestimmte Elemente erfüllen, die sie zum Filmnoir zugehörig machen
könnten, je nachdem, wie man das dann greifen möchte. Darauf kommen wir dann gleich.
Wenn man der gängigen Forschung da folgt, sieht man also die Linie von wirklich
den klassischen Filmnoir über Neonoir bis hin zu solchen Sachen wie Memento.
Pulp Fiction wird oftmals damit reingezählt. gezählt. Also sieben von Fincher.
Das ist eigentlich das, worum es uns hier jetzt auch gerade geht,
um einfach festzumachen, man kann eine ganz lange Linie ziehen und man kann ganz viele,
In dieser Art Genre-Epoche, wie auch immer, mit einsortieren oder eben auch nicht.
Also das ist eine ganz schwierige und oftmals sehr frustrierende Frage.
Woran macht man das fest? Was sind die besonderen Merkmale? Was sind die Kennzeichnungen?
Und muss man sich damit überhaupt beschäftigen?
Phil
Das ist ja so eine große Masterfrage, muss man sich beschäftigen.
In der Filmwissenschaft natürlich.
Jetzt aber jetzt für mich als Außenstehenden, also wenn ihr jetzt mir einen
Film Noir vorsetzt, trotz alledem nochmal die Frage, wodurch zeichnet er sich aus?
Also erst zum Beispiel, um mal da so einen Anfang zu liefern,
in der Regel zumindest, der klassische Film Noir habe ich als einen Schwarz-Weiß-Film kennengelernt.
Gast
Absolut würde auch mit dem Schrader-Text, der das wirklich als All Shades of
Black and White definiert, absolut so sein.
Ein klassischer Film-Noir kann kein Farbfilm sein. Ja, wäre auch mein,
da herangeht zu sagen, also ein Farbfilm kann schon mal per Definition nicht
zum klassischen Film noch gezählt werden und allenfalls ein paar Elemente daraus übernehmen.
Es gibt einen anderen Text von, ich glaube, das ist in dem Text von Charles
Hayam und Joel Greenberg, zwei amerikanische Wissenschaftler,
die in den 50ern schon erwähnt.
60er, also relativ früh, eine Untersuchung des Filmnois unter anderem haben,
die sagen, es ist eine World in Shadow upon Shadow. Upon Shadow.
Aber man schon bei einem der prägnantesten Gestaltungsmerkmale des Filmnois
ist, nämlich Schatten und Beleuchtung spielen eine ganz große Rolle für den Filmnois.
Man kennt das, was glaube ich aus dem Filmnois am bekanntesten ist,
die Lamellen-Jalousie.
Also wir sehen den Privatdetektiv in seinem schattigen Moment.
Das ist das andere wichtige Merkmal.
Ich glaube, der Privatdetektiv als Figur ist das eine, an dem man das sehr festmachen
kann und die Lamellen-Jalousie.
Nur diesen streifigen Schatten über alles, wo man nur die Hälfte vom Bild überhaupt
sieht und der Rest versinkt in dunkler, schattiger Schwärze.
Genau, und es geht eben meistens um Figuren, die in der Regel Privatdetektive sind.
Das können auch irgendwie Polizisten sein, die außer Dienst sind oder so,
die sehr gebrochene Figuren sind, die sich ihrer eigenen Zerrüttung bewusst
sind, die meistens aus triebhaftem Verhalten heraus sich mit irgendwelchen Fällen
beschäftigen und sich völlig manisch in diese Fälle hineinsteigern,
in die Fänge von meistens undurchsichtigen Untergrundorganisationen geraten.
Und der zweite große Begriff, der glaube ich aus dem Film Noir oder im Film
Noir sehr populär ist, ist der Begriff der femme fatale, der also ein französischer
Begriff, femme fatale übersetzt, die verhängnisvolle Frau, also eine attraktive.
Selbstbewusste, sexuell aktive Frau, die durch ihre Machenschaften und Intrigen
den Beweggründer nie so richtig.
Genau, wie diese Untergrundorganisation nie wirklich klar wird,
was sie eigentlich will, wo sie herkommt, wer sie ist und so und wie sie damit verstrickt ist,
die aber meistens den privaten Direktiv oder den Ermittler ins Verderben führt,
in der einen oder anderen Art und Weise, der aber sich aus ihren Fängen auch
nicht befreien kann, aber doch von ihr auf eine meistens erotische Art und Weise angezogen wird.
Phil
Das heißt, der Film Noir ist so ein Kriminalfilm mit, also es hört sich auch
alles so, wie offensichtlich ja zwangsläufig auch die Optik ist,
so alles ein bisschen eher düster und so anrüchig an.
Ist das tatsächlich so ein Auszeichnungsmerkmal? Kann man das so zusammenfassen?
Gast
Das kann man erstmal so festhalten. Das ist im Prinzip genau Film Noir,
auch das übersetzt schwarzer Film.
Oder schwarze Serie wurde es vor allem in der deutschen Literatur in den 60ern, 70ern viel genannt.
Das ist ein Begriff, der natürlich später kam, der nach dem Krieg,
nachdem die Franzosen gerade die Filme aus Amerika aus den 40ern dann nachträglich
konsumiert hatten, Da taucht dann dieser Begriff erstmals auf und fasst quasi
eine Reihe von Filmen zusammen,
die eben genau diese Düsternis zuallererst kennzeichnet.
Genau. Und damit ist man im Prinzip auch schon in dem Problem,
was dieser Filmzyklus oder diese Filmreihe mit sich bringt.
Nämlich, wie kann man dann den Film Noir von jedem x-beliebigen Film unterscheiden,
der irgendwie auch düstere Settings und im weitesten Sinne Kriminalgeschichten
hält. Also sowas wie, was auch häufig unter dem Neo-Noir gefasst wird,
sowas wie Sieben von David Fincher, ist das ein Film Noir oder nicht?
Weil im Prinzip erfüllt es diese Anforderungen, wenn man von Schwarz-Weiß mal absieht.
Memento, ist das ein Film Noir oder nicht? Memento nicht, es sind dunkle Filme
mit sehr prägnanter Schatten- und Lichtsetzung, die gebrochene Hauptfiguren
haben, die irgendwie eben sich genau in diesen Handlungen verstricken.
Phil
Was...
Gast
Damit ist man beim Problem, wie kann man dann den klassischen Film Noir eingrenzen?
Wie kann man dieses Adjektiv Noir auf ein spezifisches Phänomen beschränken,
wenn man nicht damit plötzlich die HFA jemals gedrehten Filme bezeichnen möchte?
Weil es läuft irgendwann darauf hinaus, wenn du nämlich irgendwann anfängst,
wirklich umfangreich dich damit zu beschäftigen.
Ich hatte diese Auflistung gefunden, da hat ein Filmkritiker über 600 Filme
der letzten 10 Jahre mehr oder weniger gelistet, die seiner Meinung nach alle
irgendwie Neonor, Filmnoor, was auch immer waren.
Und das war mehr als krude.
Ja, mit so absurden Sachen wie Terminator oder sowas halt so weit entfernt.
Davon ist ein Filmnoor zu sein. Memento war ulkigerweise nicht dabei.
Das hat mich ein wenig irritiert. Ja, ja.
Phil
Was ich ganz interessant finde,
es kommt ja andauernd durch diese harten Kontraste und diese Dunkelheit.
Jetzt habt ihr ja gerade am Anfang auch gesagt, diese typische Lamellenoptik
ist im Grunde so zumindest ein sehr plakatives Beispiel für den Film Noir.
Steckt da auch gewissermaßen eine gewünschte Wirkung oder eine Aussage drin
quasi, dass man sich im Grunde immer wieder für einen Filmnoir entscheidet,
für das Stilmittel, für die Inszenierung eines Filmnoirs?
Gast
Das ist schwer festzumachen, denn das ist einer der Versuche,
wie man das dann weiter einschränken kann.
Also wenn man jetzt mal sagt, okay, das sind so die groben Stilelemente,
meistens geht es auch darum, dass die Filmnoirs in Städten spielen,
es sind meistens Straßen, es regnet viel, es nebelt viel und es ist irgendwie alles mal feucht.
Wenn man das jetzt also sozusagen von dieser gestalterischen Ebene etwas abheben
möchte und schauen möchte, wie kann man denn jetzt den Film Noir der 40er und 50er greifen,
gibt es viele Versuche, die das rückbinden an die sozialen Umstände der Zeit,
der Krieg ist gerade vorbei, die,
Dieses Bedürfnis nach einer gewissen Sicherheit, nach einer Linie,
man hat ein klares Feindbild, man hat ein klares Bild, was man unterstützt, die eigenen Truppen,
die gegen das Böse kämpfen und so, das ist irgendwie nach dem Krieg,
ist es durch und man befindet sich so ein bisschen in einem Vakuum,
in einem ideologischen Vakuum, man weiß nicht mehr genau, woran man sich orientieren soll.
Und sowas schlägt sich dann natürlich im Film Noir nieder.
Das ist, wir sagten das in der letzten Episode, sehr verkürzt formuliert.
Das kann man so nicht monokausal in eine Linie setzen, aber das ist ein Ansatz,
wie man sagen kann, okay, das ist das, was der Film Noir damit bezweckt.
Die Orientierungslosigkeit der Epoche als Als ein Gefühl, als ein Zeitgeist.
Genau, als das Gefühl der Epoche, als das Gefühl der Menschen in der Zeit nach dem Krieg.
Man ist sich nicht sicher, wie es weitergehen soll. Der Wirtschaftsausschwung
war durch den Krieg bedingt.
Die Produktionssteigerung ist eine, die durch den Krieg zustande kam,
das heißt jetzt ist der Krieg vorbei, was machen wir jetzt?
Fallen wir jetzt in ein ökonomisches Loch oder was passiert?
Und das sind natürlich so Sachen, die man zurückführen kann und die man in eine
Verbindung bringen kann mit der Gestaltung der Filmnoise, wo es dann eben sehr verwirrende,
Raumkonstruktionen gibt, wo die Kamerawinkel meistens sehr weit entfernt sind
von dem, was man im normalen Erzählkino bis dahin kannte, also sehr viel enorm
niedrige oder enorm hohe Kamerawinkel im Wechsel, verkantete Kamerawinkel,
also schräge Kameras etc., wo also diese,
Verunsicherung des Zuschauers als einer der wichtigsten Effekte des Noir,
der Noir-Gestaltung sich festmachen lässt und sich dann dieser Effekt der Gestaltung
rückbinden lässt an das Gefühl der Zeit, in der diese Filme entstanden sind.
Phil
Mhm. Ich hab grad nichts.
Gast
Okay, ich dachte, ich wollte jetzt nicht so vor mich hinrufen.
Phil
Nee, nee, nee, ich habe gerade keine konkrete Frage, von daher,
ihr habt ja ein paar Themen vorbereitet, ihr habt ja sogar das auch aktuell
irgendwo als Semester oder zumindest in so einer Vorlesungsreihe den Film Noir,
Neo-Noir und ähnliches, lasst uns mal so eher noch mal so ein bisschen im Film
Noir bleiben, sofern möglich,
was für Erkenntnisse oder was für Themen nimmt man da noch so mit,
wenn man den Begriff Filmnoir hört und irgendwo dann auch, ja sei es in einem
Kontext zu anderen Genresfilmen, da haben wir ein Thema, haha,
du hast gerade mal am Anfang auch schon gesagt, mit Genrediskussion oder so
etwas tut man sich ein bisschen schwer und da zerreißen sich die Filmwissenschaftler die Mäuler drüber,
eigentlich haben wir doch relativ klare Genregrenzen jetzt abgesteckt,
harte Kontraste, schwarz-weiß in der Regel zumindest,
eher immer so Kriminalgeschichten, Warum tut sich die Filmwissenschaft so schwer,
da jetzt zu sagen, Filmnoir ist ein Genre, ist kein Genre.
Was ist Filmnoir überhaupt in der Kategorisierung?
Gast
Zum einen, weil tatsächlich das, was du gerade beschrieben hast,
keine Genregrenzen sind.
Also optische Stilmittel wie Schatten und Schwarz-Weiß definieren per se kein Genre.
Und auch das zusammenzufassen als Kriminalfilm ist ganz schwierig,
weil das so, so, so umfangreich ist, dass es sich kaum greifen lässt.
Also das ist, ich kann auch nur wieder Paul Schrader zitieren, der eben wirklich sagt,
Filmnoir wird viel eher eben durch eine Art Stil definiert, als durch wirklich
eine Genrekonvention und ich glaube, das trifft es sehr gut,
deswegen schließe ich mich dem auch an, dass es eben kein Genre,
sondern eben eher eine Epoche beziehungsweise ein Stil ist, weil es wirklich
ganz viel darum geht, was für eine Stimmung erzeugt wird, was für ein Gefühl,
für eine Verunsicherung beim Rezipienten erzeugt wird und die wird in jedem
Film auch wieder unterschiedlich umgesetzt.
Natürlich könnte man jetzt sagen, nur Filme mit einem Privatdetektiv und Jalousien
sind wirklich Film noir.
Aber dann sieht man, keine Ahnung, Double Intimity von Billy Wilder,
der definitiv in die Film noir-Epoche, in die klassische fällt.
Der mit einem Versicherungsvertreter im Supermarkt die meiste Zeit spielt.
Also das ist eine ganz schwierige Frage, weil man das wirklich,
und ich glaube, deswegen wird das auch so viel diskutiert und deswegen gibt
es auch eine Unzahl an Aufsätzen und theoretischen Texten darüber,
weil man das eben am Ende nicht wirklich festmachen kann.
Oder es dann eben doch wieder Filme gibt, die das komplett durchbrechen und
es ganz viel wirklich um dieses Gefühl der Verunsicherung, die Verunklarung
der Ereignisse und auch die Verwirrung geht,
die damit transportiert wird.
Ich glaube, dass man da nochmal ganz gut anschließen kann und sich die Begriffsgeschichte
des Film Noir mal anschaut.
Wir sagten es gerade schon, der Film Noir, klassische Film Noir,
ist in den 40er und 50er in Hollywood entstanden.
Die französische Filmkritik konnte dann nach dem Ende des Krieges diese Filme
nachholen, als sie in Frankreich veröffentlicht wurden.
Und es hat sich in der französischen Filmkritik dann dafür der Begriff Serignoire,
also schwarze Serie, oder eben dann auch Film Noir später, kurz danach entwickelt,
noch ein bisschen überschnitten mit den letzten Ausläufern der frühen 50er,
in denen dann noch Film Noirs in Amerika gedreht wurden.
Der Punkt ist aber, dieser Begriff Film Noir ist letztlich ein Begriff,
der von französischen Filmkritikern erfunden wurde.
Auch etabliert wurde. Etabliert wurde, genau, über verschiedene Texte hinweg
etabliert wurde, um diesen neuen Stil im Kriminalfilm beschreibbar zu machen
und das irgendwie unter einem Stichwort fassen zu können.
Und wo man jetzt mit einer klassischen Genre-Theorie rangehen kann und sagen
kann, darum ist das ein Problem.
Es wurde nie ein Film Noir gemacht mit der Ansage, wir machen jetzt einen Film Noir.
Und das ist ein wichtiger Punkt, wo man auch einen kleinen.
Anriss-Genre-Theorie machen kann. Ich glaube, Rick Altman ist derjenige, der das formuliert hat.
Das Genre ist ein Kommunikationsmittel. Das ist immer ein bewusstes Kommunikationsmittel.
Zwischen Produktion, Distribution und Rezeption.
Also die Produzenten des Films überlegen sich, wir machen jetzt einen Western.
Dann wissen die Kinos, da kommt jetzt ein Western. Dann weiß der Zuschauer,
wenn da ein Western kommt, erwarte ich folgende Elemente etc.
Man kann mit dem Begriff Western, braucht man sozusagen nicht erklären,
wir machen jetzt einen Film, da geht es um Pferde und Cowboys und irgendwie
um Städte und so, sondern man kann sagen, wir machen einen Western,
alle wissen Bescheid, worum es sich da behandelt, man kann es irgendwie einordnen,
man kann damit dann Werbung arbeiten,
man kann mit einer Zielgruppe arbeiten, die Zuschauer können sich untereinander
wieder verständigen und so weiter und so kann man eben, das ist eine sehr klassische
Grundlage der Genre-Diskussion,
Genre ist ein Kommunikationsmittel, eine Hilfe, sich über Filme zu verständigen
und das ist eben genau das.
Und auch ein Vertrag, also man hält sich auch daran, vor allem in der Hochzeit
des klassischen Hollywoods, also wirklich bis zum Ende der 50er hielt man sich
auch an solche Genre-Regeln.
Wenn es eben hieß, wir machen ein Western, dann machte man auch ein Western.
Genau, alle wissen, was zu erwarten ist und was man bekommt für das Geld sozusagen.
Und das ist eben etwas, was beim Film nur noch fehlt. Denn da hat sich dieser
Begriff eben nicht etabliert, während die Filme gemacht wurden.
Beziehungsweise, spannenderweise an dem Punkt, an dem der Begriff etabliert
war und auch in Amerika langsam durchkam, gab es diese Filme nicht mehr,
nämlich in den 60ern. Späten 50ern, 60ern gab es das dann nicht mehr.
Sicherlich gab es noch ein paar Filme, wo dann vielleicht die ersten schon sagten,
ah ja, das ist jetzt auch ein Film, was wir hier machen.
Aber die klassischen Filme Noirs sind sozusagen unbewusst, in der Produktion
unbewusst diesem Genre nachher zugeordnet worden. Und auch unabhängig voneinander entstanden.
Also natürlich haben die sich auch bestimmt gegenseitig befruchtet und so weiter,
aber sie sind grundsätzlich nicht innerhalb dieser Genre-Konvention,
wir brauchen jetzt noch die Lamellen und wir brauchen den Privatdetektiv entstanden,
sondern wirklich aus so einem aus eben so einem Zeitgeist heraus.
Phil
Dann finde ich es wiederum ganz interessant, warum gab es denn dann in den 40ern,
50ern eben so eine Ballung von solchen Stilmitteln des Films?
Also es ist ja in sich in der Inszenierung schon meines Erachtens zumindest
ein sehr krasser, ein sehr krasses Stilmittel, dann wirklich so bewusst mit
harten Kontrasten zu arbeiten, mit der dann doch, ich bediene mich dann doch wieder daran,
mit der Lamellenoptik und eben so etwas,
das ist ja dann im Gegensatz zu einem normalen Schwarz-Weiß- oder gar Farbfilm
dann doch von den Produzenten, von den Regisseuren, von den Kameramändern eine
ganz bewusste Entscheidung.
Kamera, hast du auch gesagt gerade, häufig verkantet, schwierige Perspektiven und so etwas.
Das heißt, es gab ja schon irgendwo eine Ballung von der Entscheidung,
ich möchte einen Film in diesem und diesem Stile drehen.
Gibt es da einen Zusammenhang mit anderen Einflüssen, dass man sagen kann,
okay, das begründet das jetzt.
Gast
Einerseits, wie wir gerade schon angerissen haben, man kann es auf die sozialen
Umstände zurückführen.
Dann gibt es, würde ich jetzt sagen, zwei wichtige Komponenten,
würde ich auch sagen. Genau, zwei wichtige Komponenten.
Einerseits, wir erinnern uns, es gab in Deutschland mal eine Zeit,
in der Juden nicht so gut arbeiten konnten.
Das betrifft den Zeitraum 33 bis 45.
Und da sind viele deutsche Filmemacher jüdischer Abstammung oder polnischer
Abstammung oder jedenfalls nicht, also Leute, die vom NS-Regime in irgendeiner Weise bedroht waren.
Wie Billy Wilder, den wir eben gerade zum Beispiel schrieben haben.
Eigentlich Wilhelm Wildmann oder so, glaube ich, weiß ich nicht genau,
auch ein Deutscher, sind nach Amerika gegangen, nach Hollywood gegangen,
Ernst Dubitsch, Jörg Wilhelm Papst, Fritz Langen und so weiter.
Die sind alle, haben dort dann Arbeit gefunden und die meisten Film-Noirs sind
stark beeinflusst von deutschen Filmemachern.
Also sei es, dass es Regisseure sind, sei es, dass es Kameraleute oder auch Musiker sind.
Max Steiner heißt er, glaube ich, der ganz viele Film-Noir-Soundtracks geschrieben
hat und die natürlich ihre eigene ästhetische Tradition mitgebracht haben.
Also die vorher im deutschen Sturmfilm gearbeitet haben, in dem,
was man immer wieder als Weimarer Expressionismus bezeichnen.
Kann mit auch da Einschränkungen, weil das führt jetzt viel zu weit,
die aber jedenfalls diese Tradition der deutschen Ästhetik mitgebracht haben,
die wiederum ihre Ursprünge kann man zurückverfolgen bis in die Romantik,
die romantische, düstere romantische Lyrik des 19.
Jahrhunderts und so weiter zurückverfolgen kann, die dann darüber ihren Weg
nach Amerika gefunden hat und die natürlich dann, als sie angefangen haben,
in Amerika Filme zu drehen, haben sie Krimis gedreht und haben dann.
Ihre Entscheidung und ihren technischen Stand, ihre Herangehensweise an Filmesthetik
in diese Filme gebracht.
Und deswegen, das wäre eine dieser Linien, die man da verfolgen müsste.
Ich schließe das da direkt an, beziehungsweise habe zwei Aspekte noch.
Die ganz frühen Filmen Noir sind in der Regel wirklich als B-Filme konzipiert.
Also B-Film heißt, im klassischen Hollywood liefen in der Regel,
hat man so Double Features gebucht, es lief ein A-Film, Das waren die großen
Kassenschlager und danach lief ein B-Film.
Das war was Kleineres, da haben sich die Studios ausprobiert. Davor, danach.
Ich kann mir das nie... Aber auf jeden Fall, in der Regel war das eben in diesem
Double-Feature-Konzept.
Und viele, viele Filmmoar sind im Rahmen dieser kleineren B-Filmproduktionen entstanden.
Also im Sinne, das sieht man auch, die sind mit relativ wenig Geld im Studio
immer wieder auch gern dieselben Kulissen für ähnliche Settings benutzt.
Die sind halt, damit hat man Menschen beschäftigt.
Also es wurde einfach, man muss sich das wirklich so vorstellen,
da liefen nicht eben zehn Filme die Woche an, wie bei uns jetzt,
sondern es liefen halt 20 Filme die Woche an, 30 Filme die Woche.
Und man hat einfach einen riesigen Output an Filmen produziert,
gerade das klassische Hollywood-Studio.
Und da war halt einfach auch viel dabei, wo man gesagt hat, ach,
der Billy Wilder, der ist jetzt neu hier, dann lass mal den mal einen kleinen.
Gucken wir mal, was der so macht, was der so kann und dann darf der doch mal
so einen kleinen Krimi drehen.
Gerade mal geschaut zur Korrektur, Samuel Wälder, gebürtig heißt Billy Wilder,
eigentlich kam aus Polen.
Also damals Österreich-Ungarn. Und ich will damit eigentlich nur sagen,
dass das jetzt vor allem auch keine Filme waren, an die jetzt so riesige Erwartungen
gesetzt wurden in der Produktion.
Die wurden halt mitgedreht und haben bestimmt ihr Publikum gefunden.
Und der andere Aspekt, den ich stark machen wollte, weil ich glaube,
der spielt wirklich eine große, große Rolle und wird viel unterschätzt,
auch beim Western ganz oft, sind tatsächlich die literarischen Vorlagen.
Es gab eine riesige, riesige Pulp-Literatur-Bewegung, gerade in Amerika in den 30ern, in den 40ern.
Dishiel Hammett, Raymond Chandler, wer sowas gelesen hat, also Sam Spade und Philip Marlowe.
Das wird also bezeichnet unter dem Griff Hard-Boiled-Literature,
weil es also abgebrühte, knallharte
Detektivkerle sind, die mit dem Leben abgeschlossen haben und so.
Und die eben, was man heute vielleicht als Groschenroman bezeichnen würde,
die also in gigantischen Auflagen für ganz wenig Geld in Massen erschienen sind.
Und wirklich einfach kurze Geschichten, sehr gewalttätige Geschichten,
aber das, was man eben im Bahnhof als Pendler gelesen hat und dann wieder weggeworfen hat.
Ich habe ein paar davon gelesen, ist nicht so unterhaltsam, ist eher verwirrend
und gerade bei Raymond Chandler weiß man auch, der war dann an sowas wie Big
Sleep, was ihr ja auch schon besprochen habt, beteiligt.
Er hat dann einfach tatsächlich aus fünf Kurzgeschichten ein Drehbuch zusammengeschrieben,
was dann kein Wunder ist, dass das Drehbuch so verwirrend ist und am Ende niemand
mehr weiß, wer eigentlich den Chauffeur umgebracht hat, weil er es einfach aus
ganz vielen Kurzgeschichten zusammengeschmolzen hat, die vorher halt einzeln
entstanden sind und einzeln verkauft wurden.
Aber da hat man dann wirklich so serielle Stereotype-Charaktere erschaffen,
die dann einfach wieder und wieder und wieder auftauchen und glaube ich damit
schon auch so eine Art Bildsprache auf wörtlicher Ebene etabliert.
Also ich glaube, dieser Aspekt ist ganz wichtig, dass es eine künstlerische
Freiheit gab in den B-Filmen. Das merkt man auch in anderen Genres.
B-Filme sind der Ort, an dem während des klassischen Studiosystems,
also bis in die Mitte, Ende 60er hinein, wo in den B-Filmen Talente sich entwickeln
konnten, weil keiner sich so wirklich darum gekümmert hat, was damit jetzt los
ist. Also wenn so ein Film war...
Was jetzt genau da passiert, ist eigentlich egal. Wenn der Film floppt,
ist auch egal, weil das hat eh nicht viel gekostet und müssen das Programm vollkriegen.
Und da kann sich dann eben so eine Strömung wie der Film Noir in den 40er und
50er und überhaupt entwickeln, abseits der festen, engen Konventionen.
Und eben auch abseits dieser Genreverträge. Genau.
Und genau deswegen ist es, weil so viel im Film Noir durch letztlich,
man könnte fast sagen, durch Zufälle, durch historische Zufälle kam irgendwie alles zusammen.
Es gab also diese Literaturvorlagen, die sehr beliebt waren.
Es gab natürlich den amerikanischen Kriminalfilm der 30er, der sehr erfolgreich war.
Es gab dann die deutschen Filmemacher, die daraus sich irgendwie bedient haben,
aber auch ihre eigene Tradition mitgebracht haben.
Und es gab Nachkriegsverunsicherung in Amerika in der Gesellschaft,
die man auch noch mit hineinziehen kann.
Und dann ergibt sich aus diesem, irgendwie das einmal geahmt,
ergibt sich der Film Noir plötzlich.
Und dazu muss man, glaube ich, den produktionsästhetischen Aspekt auch immer
noch stark machen. Das waren kleine Studioproduktionen.
Man kann nicht vor jedes Detektivbüro Fenster eine Gardine hängen.
Natürlich entstehen aus solchen Dingen dann auch Jalousien.
Natürlich entstehen, das beleuchtet man natürlich auch von außen.
Natürlich entstehen dadurch dann gerade solche fast programmatischen Bilder,
aber das sind auch, glaube ich, in ganz, ganz vielen Aspekten rein praktische,
Überlegungen und eine Straße, die man beim Drehen nass macht,
sieht immer besser aus als eine
Straße, die trocken ist, weil einfach ein bisschen Glanz, ein bisschen,
Lichtreflexion immer das Bild.
Phil
Lebendiger machen.
Gast
Ja, absolut. Und dafür gibt es dann Leute, das heißt dann Wet Down und dann
kommen Leute mit Feuerwehrschläuchen und machen die Straße nass.
Ob es jetzt geregnet hat oder nicht, ist völlig irrelevant.
Es sieht einfach optisch besser aus. Und das sind, glaube ich,
ganz viele Aspekte, die sich eben dann mit den Sachen, die du gerade gesagt
hast, zusammenschmelzen und daraus dann irgendwie, ja, der Film Noir wird, wurde, geworden ist.
Nicht, dass es in anderen Genres viel einfacher wäre, dass man sagen kann,
der Western, ja, da gab es Leute, die haben gesagt, wir brauchen einen Ring
Western. Das gab es natürlich auch nicht.
Nur das, was man klassischerweise als Genre begreifen möchte,
Western, Horror, was auch immer.
Melodramen. Melodramen. Das Spektrum ist breit genug.
Jedenfalls, diese Genres haben sich, genau wie der Film Noir,
auch aus Zufällen und Verwicklungen und Zusammenschlüssen und ganz vielen Interdependenzen entwickelt.
Nur konnten sie bestehen.
Darüber hinaus haben sich Konventionen ergeben. Und es gab dann eben diesen
Genrebegriff für diese Genre als Kommunikationsmittel.
Und das ist einer der Gründe, warum zum Beispiel David Bordwell und Kristen
Thompson, der wir in der ersten Episode von Nerd Talk Extended auch schon mal erwähnt hatten,
sagen in einer ihrer berühmten Untersuchungen zum klassischen Hollywood-Kino,
der Film Noir kann deswegen kein Genre sein, weil ihm eben dieser Kommunikationsaspekt
des Genrebegriffs fehlt.
Womit wir fast bei Neo wären.
Phil
Ja, ganz genau. Da wäre ich jetzt nämlich tatsächlich auch rübergegangen.
Jetzt haben wir verstanden, was den Film Noir irgendwo auszeichnet und doch
nicht so greifbar macht.
Gast
Entschuldige bitte, aber das
sind tatsächlich Diskussionen, die werden immer noch ganz viel geführt.
Also es gibt ganz viele, die sagen, natürlich ist das ein Genre und das ist
jetzt unser beider wirklich Argument, dass wir auf unsere Hausarbeit stützen,
mit der wir uns also in den letzten Monaten beschäftigt haben und deswegen,
ob Film Noir nun ein Genre oder eine Epoche oder ein Stil oder Oder was auch
immer ist, bleibt am Ende tatsächlich den meisten Filmwissenschaftlern selbst überlassen.
Es ist sehr bunt, was man da so liest.
Phil
Ja, ich glaube, das macht aber auch ein bisschen die Filmwissenschaft aus.
Jeder da verschiedene Meinungen hat und haben kann. Hauptsache,
man weiß, wie man es begründet.
Jetzt habt ihr ja gerade eben gesagt, dass der Film Noir irgendwie so in den
60ern dann irgendwo sein Ende gefunden hat, aber es gibt jetzt ja auch noch
den Neo-Noir und da habt ihr auch ein paar Filme schon geworfen.
Wann begann der eigentlich?
Und ja, wie kam es eigentlich dazu, dass man jetzt sagt, okay,
da steckt ja im Namen schon drin, diese neueren Filme sind jetzt nicht dem typischen
Film Noir zuzuordnen, sondern machen ein eigenes,
ja, jetzt sind wir wieder, einen eigenen Stil, ein eigenes Stilmittel,
ein eigenes Genre, whatever,
sind anders als der reguläre Film Noir. Und trotz alledem gleich.
Wie kommt's?
Gast
Ich glaube, dass man da mal wieder auf diesen Begriff des Film Noir,
das, was wir gerade zur Begriffsgeschichte schon sagten, zurückgreifen kann
und sagen kann, diese Filme wussten, dass sie Filmnoirs sind.
Also der Film, der Neonuar, man kann da jetzt auch kein genaues Startdatum sagen,
weil man müsste dann erstmal gucken, wo der Filmnoir, ob er wirklich gestorben
ist irgendwo oder wie man das jetzt auch beschreiben möchte, aber,
Filme wie Taxi Driver, Chinatown werden normalerweise so als der Auftakt einer
Neonuar-Bewegung gesagt.
Also Anfang der 60er. Genau, 74, glaube ich, 75, sowas um den Dreh.
Und wenn jemand wie Roman Polanski Chinatown dreht, kennt Roman Polanski die
Filmnoirs und weiß, dass er einen Filmnoir dreht oder weiß, dass er sich an
diesen Elementen bedient.
Also bei Chinatown ist es super offensichtlich.
Und dann kann man sich die Frage stellen, wie weit vielleicht dieses ganze Bild,
was man vom Filmnoir hat, viel stärker beeinflusst wurde von den Neonoirs,
die ganz explizit auch Filmnoir sein wollen.
Und es natürlich aber viel, viel stärker sind, weil sie sich komplett nur darauf reduzieren.
Also gerade Chinatown ist wirklich, das ist das Ideal eines jeden Film-Noir
eigentlich. Und dabei ist er keiner. Und das ist das Faszinierende.
Und er am Ende wirklich jegliche Theorien viel mehr erfüllt,
als ein klassischer Film-Noir es je könnte.
Und ja, gerade, also was für mich ganz spannend ist mit der Beschäftigung,
ist tatsächlich, wenn man die Filme ab den 70ern, also bleiben wir bei Taxi Driver und Chinatown.
Die kann man wirklich, die muss man beide als sehr differenziert betrachten,
weil gerade Chinatown ist wirklich eine Art Remake des Stils.
Das ist eine Art Widerspiegelung, das ist in ein historisches Setting versetzt,
der spielt quasi, der tut so, als wäre er in den 40ern oder in den 50ern,
der adaptiert also quasi nicht nur die thematische Stimmung und die Stereotypencharaktere,
sondern der adaptiert auch noch die Zeitlichkeit der historischen,
der klassischen Filmnois.
Wohingegen Taxi Driver natürlich in seiner Jetztzeit stattfindet und ich finde
dadurch werden das schon wieder zwei vollkommen verschiedene Aspekte,
die man verschieden betrachten muss, ob man sich jetzt wie bei Chinatown, L.A.
Confidential, Black Dahlia von Brian De Palma, die alle in so einer fiktiven
Vergangenheit spielen oder eben mit Neo-Noir-Aspekten wie eben in Taxi Driver auseinandersetzt.
Wo die Störung des Protagonisten einfach aus seiner Jetztzeit herauskommt.
Phil
Die Störung des Protagonisten aus der Jetzt-Zeit herauskommt.
Gast
So ganz der Held. Nein, wie sage ich das denn jetzt?
Die Hauptfigur bei Taxi Driver scheitert ja eindeutig an den Konventionen seiner eigenen Zeit.
Also der ist nicht in irgendwie, der Film spielt in den 70ern,
er scheitert an seinen Konventionen aus den 70er Jahren.
Der ist nicht ein Film, der wirklich in eine fiktive Vergangenheit versetzt
ist und dort quasi scheitert. Es ist nicht verständlich, was ich sage.
Ich sehe es an deinem Blick, Lars. Ich weiß nicht genau, was du meinst.
Phil
Wenn doch nicht mal Filmwissenschaftler unter sich verstehen.
Gast
Aber ich finde zum Beispiel, es ist wirklich gerade, wenn man L.A.
Confidential und Black Dahlia und Chinatown sieht, die wirklich mit diesem Historismus
noch kokettieren und wirklich so tun, als wären sie Filmnoir einfach.
Dann sind das ja wirklich nur Simulationen.
Dann ist das nie, nie greifbar für irgendeine Zeit.
Und gerade Taxi Driver, welcher Krieg ist es?
Vietnamkrieg, die Stürm. Das ist einfach, was man realhistorisch anbinden kann.
Und damit ist Taxi Driver wirklich viel näher an den Filmnoirs aus den 40ern
und 50ern als Black Dalio oder Chinatown.
Die Filmnoirs der 40er, 50er spielen alle in der Gegenwart. Die spielen alle in den 40ern, 50ern.
Der Gegenwartsaspekt ist für mich ein ganz wichtiger. Die sind Filme der Gegenwart.
Da wollte ich eben anschließen. Der Neonoir oder diese ganzen Filme,
die sich diese Elemente bedienen, ab den 70ern bis heute, wenn man das so weit
drehen möchte, reagieren nicht oder lassen sich nicht irgendwie in eine Zeitstimmung einfügen.
Das sind Filme, die entstehen innerhalb der Filmgeschichte, weil sie sich auf
Filmgeschichte beziehen.
Und die Filmmoirs der klassischen Epoche, 40er, 50er, beziehen sich nicht auf
Filmgeschichte, sondern beziehen sich auf Ästhetik der Gegenwart,
auf ihre konkreten aktuellen Einflüsse.
Und da ist einer der großen Unterschiede, die man machen muss zwischen Filmnoir und Neonuar.
Und meines Erachtens,
bedienen sich die ganzen Neo-Noirs ein paar weniger, sehr, sehr kleiner,
stilistische Elemente der Film-Noirs und haben sonst überhaupt nichts damit zu tun.
Phil
Nochmal generell, was macht eigentlich dann diesen Reiz des Noirs,
egal ob Neo oder klassischer Noirs, aus?
Also ganz offensichtlich ist es dann ja schon so, dass man sagt,
okay, wir bedienen uns dieser Elemente und bringen das in die Neuzeit und führen
dieses Stilelement weiter.
Das heißt, das sieht man ja auch an dieser Sondersendung, ganz offensichtlich
ist dieses Stilmittel ja interessant genug,
darüber einerseits eine eigene Sendung zu machen, eine eigene Nerd Talk Extended,
als auch natürlich sich eines gesamten Stilmittelpakets, was vor Jahrzehnten
existierte, zu bedienen und heute dieses Stilmittelpaket zu großen Teilen in
modernere Produktionen einfließen zu lassen.
Was macht eurer Meinung nach diesen Film Noir eben genau so packend,
dass der irgendwie nicht so unter Radar fliegt wie manch andere Subgenres oder
Stilmittel, sondern einfach ihn so präsent macht?
Weil auch ganz ohne Nerd Talk habe ich auch schon was von Film Noir gehört,
was er im Grunde dafür spricht, dass er eben eine gewisse Präsenz hat.
Gast
Ganz kurz eingeworfen, ich finde das Stilmittelpaket ist ein sehr,
sehr treffendes Wort für das, was der Neo Noir macht. Er schnürt sich so ein
kleines Päckchen aus dem, was der Film Noir gemacht hat.
Sieht aber nur so die Rosinen raus. Genau, so als Inesor klickt sich seine Features
zusammen und nachher haben wir Neonor. Das ist wirklich ein sehr treffender Begriff dafür.
Phil
Bau den bitte in deine Hausarbeit ein.
Gast
Ja, die ist scham gegeben, dass du es erst gespielt hast.
Phil
Mist.
Gast
Ich hab dich verloren, Phil, ich hör dich nicht mehr.
Phil
Ich hab auch nichts gesagt.
Gast
Jetzt bist du wieder da. Warum ist der Film Noir so reizvoll?
Weil er überbewertet ist. Ja, weil er massiv überbewertet ist.
In ganz, ganz vielen Texten zum Noir, und irgendwo steht es auch explizit,
was immer wieder durchkommt, alle sind unglaublich begeistert von diesem Film.
Und ein Text, ich weiß leider nicht mehr, welcher das war, sagte,
das Gute an dem Film Noir ist, dass durch diese dann doch relativ hohe Konventionalisierung
vermitteln. Also wir haben Dunkelheit, Schatten, Lichtsetzung,
Kameraarbeit, private Lichtsetzung.
Du kannst nicht viel falsch machen. Das ist die These dieses Textes.
Innerhalb dieser Konvention des Noirs kannst du nicht viel verkehrt machen und
es kommt immer ein guter Film dabei raus.
Das ist eine These, die ich, nachdem ich jetzt ganz viele Filmnoirs gesehen
habe, mit hundertprozentiger Sicherheit widerlegen kann. Nein,
es gibt ganz, ganz viele, ganz furchtbare Film-Noirs.
Aber es hat sich irgendwie dieser Nimbus entwickelt. Film-Noir wäre unglaublich großartig.
Und klar, viele Klassiker der Filme, viele Über-Klassiker sind Film-Noirs.
Man nimmt es aus die Touch of Evil von Orson Welles.
Citizen Kane wird auch... The Big Sleep, habt ihr besprochen.
Fantastischer, fantastischer Film. Es sind wirklich großartige Filme.
Und ich glaube, deswegen hat der Film so eine lange Nachwirkung.
Und deswegen sind diese Filme so in diesem hohen Status erhoben worden.
Weil sie viel ganz radikal neu gemacht haben, was bis dahin innerhalb des Studiosystems
so nicht denkbar gewesen wäre.
Also wirklich ästhetische Experimente gemacht haben, verhältnismäßig ästhetische
Experimente gemacht haben, ästhetische und technische Innovationen gefördert
haben, Talente gebildet haben etc.
Dadurch hat sich zusammengenommen mit der Tatsache, dass eben viele dieser Filme doch relativ gut sind,
hat sich so ein Zauber, so eine magische Aura um den Noir gebildet als irgendwie
doch sehr verklärte historische Epoche, auf die man 30 Jahre später zurückblickt und denkt, Mensch,
das war damals schon geil, was die alle gemacht haben und das machen wir jetzt auch.
War das jetzt verständlich? War das sehr gewuselt?
Phil
Ja, ja, ja.
Gast
Und ich glaube tatsächlich, dass ganz viele,
nur relativ wenige Film Noir gesehen haben, weil es gibt wahrscheinlich eine
unfassbare Menge, es gibt hunderte auch aus diesem kurzen Zeitraum von 41 bis 58 wirklich Hunderte.
Ich würde vermuten, dass die meisten Kritiker und Theoretiker,
die dazu Texte geschrieben haben, das ist eine bösartige Unterstellung und ich
entschuldige mich hiermit vielmals, die haben eben diese Perlen gesehen wie The Big Sleep.
Die haben wirklich die guten wie The Maltese Falcon oder eben Touch of Evil gesehen,
aber die hunderte von B-Filmen die wirklich einfach langweilig und merkwürdig
und skurril bis unerträglich sind,
fallen da glaube ich auch einfach enorm aus dem Raster.
Also es gibt von Alan Silver, einem amerikanischen Wissenschaftler,
der sehr, sehr viel zum Film Noir gearbeitet hat, der ganz viele dazu veröffentlicht.
Wir werden auch auf jeden Fall ein paar seiner Werke verlinken,
weil es Aufsatzsammlungen sind, die ganz viele klassische Texte zum Film Noir
versammeln und vor ein paar Jahren herausgelegt wurden.
Und eben von Alan Silver, unter anderem hat Alan Silver die Film-Noir-Enzyklopädie,
zusammengestellt, was einfach ein alphabetisches Verzeichnis aller Film-Noirs
ist, die er da zumindest reinnimmt.
Tatsächlich auch sich beschränkt auf den Zeitraum der 30er bis zu den frühen
70ern, das heißt schon sehr weit gefasst, aber zumindest noch ein klassischer Zeitraum beschränkt.
Und wenn ich jetzt grob überschlage, fasst Alan Silver hier in die klassische
Zeit zwischen 1940 und 1960 ungefähr 250 Filme, 300 Filme. Und ich glaube,
das kommt ungefähr mit dem hin, was man sonst auch als Zahlen zwischendurch
mal irgendwo aufschnappt.
Und insofern, die zehn Filme, die alle gesehen haben, die auch gut sind,
stehen natürlich stilistisch und in der Erzählweise repräsentativ für den Film Noir.
Qualitativ, glaube ich, gibt es da aber wirklich Gründe. Abgründe.
Aber weil eben sich so ein kleiner Kern herausgebildet hat aus Sachen,
die erhalten oder die sich im Bewusstsein gehalten haben, auch Jahrzehnte darüber
hinaus, gibt es diese Aura des Einzigartigen im Film.
Und man muss natürlich vielleicht noch dazu sagen, im Vergleich,
200, 250 Filme in 20 Jahren ist für das klassische Hollywood-System sehr, sehr wenig.
Absolut. Ich würde mal grob schätzen, allein in den 30er-Jahren wurden knapp
2000 Western gedreht. nur innerhalb von einer Dekade.
Ich hatte das in einem Text eben gelesen. Also in den 50ern,
da hatte ich ja eine Referenzgruppe zu, in den 50ern wurden alleine 700 Western produziert.
In den 30ern waren es noch deutlich, deutlich mehr.
So zum Vergleich, also auch da merkt man, dass klar, der Western ist das überpopuläre
Genre, 30er und 50er, was alles überschattet.
Nichtsdestotrotz gibt es verhältnismäßig
einfach nicht so wahnsinnig viele Filme Noors. Ja, war gut.
Phil
Kann man jetzt also so im Grunde sagen, man hat so zwischen den Zeilen ganz
leicht, da muss man euch sehr gut für kennen, herausgehört, dass ihr jetzt dem
Film Noir nicht hundertprozentig positiv gegenübersteht.
Liegt das tatsächlich daran, dass ihr sagt, okay, dieses Stilmittelpaket mit
dem Stempel Film Noir ist einfach overhyped, weil alle sich auf die Szenen wirklich
sehr guten Filme beziehen oder gibt es noch so weitere Aspekte, wo ihr sagt,
Leute, Film Noir ist nicht so geil, wie alle das immer sagen.
Gast
Bei uns hat sich, wir haben uns beide ja für diese Hausarbeit freiwillig entschieden.
Phil
Bereut ihr es?
Gast
Ja, beide. Wir sagten es in der letzten Episode ja schon, dass letztlich,
auch wenn es natürlich zwischendurch viel Arbeit ist, Film zu studieren,
haben wir das große Tut, dass wir uns sehr, sehr frei auswählen und womit wir
uns eingehender beschäftigen wollen in Hausarbeiten.
Und wir haben uns beide also freiwillig für den Film Noir entschieden,
weil wir dachten, okay, die Filme sind irgendwie total spannend und das sind
sehr vielseitige Filme, die viel hergeben.
Bis wir dann festgestellt haben, dass es genau zehn Film Noirs Das ist problemisch
formuliert, aber der Punkt wird, glaube ich, klar.
Und bei uns hat sich, glaube ich, die Abneigung vor allem bei der Recherche
der Literatur extrem eingestellt. Aber deswegen müssen wir unterscheiden.
Filmnoirs sind an sich, gibt es sehr, sehr geile Filmnoirs. The Big Sleep,
Double Indemnity finde ich auch klasse.
Dann die Neonoirs sind auch toll, je nachdem, wie man dieses Phänomen greifen
möchte. Chandra Town, Taxi Driver etc. sind tolle Filme.
Und da kann man schon wirklich auf Perlen stoßen. Touch of Evil ist fantastisch.
Brick, ich schlage immer wieder meine Lanze für Brick, der ist von 2004, 2005,
den ich einen fantastischen, fantastischen Film finde, der das ganze Film-Noir-Steel-Paket
an ein Highschool-Setting verlegt und wirklich mit ganz feinem Humor,
ganz wunderbar arbeitet.
Ganz kleiner, amerikanischer Independent-Film. Den liebe ich sehr.
Das ist im 90er, im Jahr 80er.
Nee, später, 2004, glaube ich. Wirklich super Empfehlung.
Ich finde den ganz fantastisch mit einem noch relativ jungen Joseph Gordon-Levitt.
Fantastischer Film. Also man findet wirklich auch gerade auch dann in diesem
Neo-Bereich durchaus Sachen, wo ich sage, okay, ich verstehe das Konzept.
Ich finde auch, man kann das anwenden. Man kann diese Merkmale finden und suchen und untersuchen.
Aber gerade die Literaturrecherche war absolut frustrierend. Sehr frustrierend, ja.
Hunderte von Büchern, wirklich Hunderte von Aufsätzen, Texten, Büchern.
Und sie haben alle nichts zu sagen. Das ist das Ergleiche. Man muss deswegen
diese Trennung nochmal so stark machen, dass wir beide die Filme durchaus mögen.
Es gibt auch geile Western, es gibt auch Scheißwestern. Insofern ist das jetzt
nicht so überraschend, dass es auch beim Film Noir schlechte Filme gibt.
Der Punkt ist nur, dass es in keinem Verhältnis steht zu dem,
was da für ein... Zu dieser Menge an Text, der da fabriziert.
Also allein jemand wie Georg Seesl, ein deutscher Filmpublizist,
der sich, glaube ich, auch gerne als Wissenschaftler verstehen möchte,
hat, glaube ich, vier Bücher oder so zum Film Noir geschrieben,
die nicht irgendwie unter neuem Titel anders veröffentlicht,
sondern vier eigene Bücher, die aber alle im Prinzip dasselbe erzählen.
Und das sieht man häufig, dass eben jeder, der nicht genau weiß,
was er jetzt tun soll, erst mal zum Film Noir schreibt.
Wie ja schon immer. Kann man jetzt darüber denken, was man möchte.
Phil
Ich würde jetzt sehr plakativ, ja.
Gast
Ich muss aber sagen, dass ich damit vorher nicht gerechnet habe.
Ich hatte mich damit zu wenig im Vorfeld auseinandergesetzt.
Mein Aspekt bei der Hausarbeit war nun die Betrachtung quasi in Veronica Mars.
Wer das kennt als geneigter Hörer, das ist eine Fernsehserie 2004 bis 2007,
die viel mit Noir-Elementen spielt, das Ganze auch wieder in so ein Highschool-Setting
verlegt, was ich sehr spannend fand.
Masse an Literatur zu Film Noir stand völlig konträr zur Masse an Literatur über den Teenie-Film.
Deswegen glaube ich, werde ich jetzt in Zukunft einfach mehr zum Teenie-Film machen.
Es bleibt spannend und auch gerade solche Sachen wie, wie funktioniert Voice-Over,
was wir auch schon mal thematisiert hatten kurz, wie funktionieren Rückblenden,
wie werden Rückblenden unterschiedlich kennengelernt.
Gar nicht erwähnt, dass das eines der weiteren Mittel des Voice-Over und die
Rückblende ist. Also gar nicht, dass das dadurch davon erfunden wurde,
aber es wird einfach wahnsinnig häufig eingesetzt.
Der Voice-Over, der gebrochene Charakter, der irgendwo spricht oder die Rückblende,
die das Ganze irgendwie versucht zu kontextualisieren,
sind ganz, ganz entscheidende Merkmale und werden natürlich auch immer wieder
gerne aufgegriffen bei allen anderen
Sachen, die sich dann darauf beziehen und sagen, wir tun so als ob.
Aber das ist eben das Ärgerliche, das das Problem ist auch, dass die Literatur
oder die Forschung zum Film Noir teilweise in erbitterte Kämpfe ausartet.
Also Alan Silver schreibt in seinem Vorwort zu dem Film Noir Reader,
besagter Aufsatzsammlung, die wir euch auch in die Liste hier mit aufnehmen,
schreibt er irgendwie, geht auf einen französischen Wissenschaftler ein,
der Silver kritisiert hatte und dann erklärt Silver erstmal über eine halbe
Seite, warum dieser Typ persönlich doof ist.
Also warum Marc Vernet, der besagter französischer Wissenschaftler,
einfach schon persönlich ein Arschlauch ist.
Was natürlich in so einem fischenschaftlichen Text überhaupt nichts verloren
hat und wobei deutlich wird, dass sich da irgendwie auch im Film noch total
erbitterte Fronten gebildet haben, wo irgendwie sich Befiegt wird. Nein, das ist ein Genre.
Nein, das ist ein Genre. Ich meine, im Endeffekt, das Problem,
was dann die Forschung hat und weswegen das so frustrierend ist,
ist, dass das Pferd versucht wird, von hinten aufzuzählen. Das hast du jetzt aber schön gesagt.
Ja, denn fast alle Texte gehen erstmal von einem Begriff aus.
Also alle behaupten erstmal, der Film Noir ist jetzt folgendes.
Also entweder ein Genre, ein Stil, eine Epoche, ein Zyklus, eine Serie, was auch immer.
Ein Label. Ein Label, ja. Und dann fangen sie an, da irgendwie Beispiele für
aufzulisten. Und dann war's das.
Und dann denkt man sich, herzlichen Glückwunsch, wir haben jetzt hier eine Liste
von Elementen, wir haben jetzt eine Liste von Handlungsstereotypen.
Trifft doch ungefähr 50 Prozent aller Filme zu.
Genau, die ist super umfassend und am Ende kommt die These, das ist deswegen
jetzt ein Genre und das funktioniert von vorne und hinten nicht.
Und was irgendwie keine Forschung zum Film Noir bisher geschafft hat,
wirklich effektiv geschafft hat und umfassend und was wir auch nicht geschafft
haben, natürlich nicht geschafft haben, aber mit den Hausarbeiten,
das wäre ja auch zu schön.
Was jedenfalls nicht ist, ist das mal andersrum zu denken, zu sagen,
okay, das sind die Elemente, wie kann ich das abstrahieren, also wie kann ich
daraus jetzt mal irgendwie ein Gestaltungsprinzip erzielen.
Sozusagen destillieren, was dann tatsächlich für den Film noir findet und nur für den Film noir.
Und alle versuchen irgendwie sich selber in den Forderungen zu spielen,
in ihren Theorien und zu erklären, warum sie jetzt die große Ahnung haben und
alle anderen nicht. Und das ist super ätzend.
Und das ist super frustrierend, weil du liest halt im Prinzip nur Hass-Tiraden
auf alle anderen und dann winzig oder entweder kurze Abrisse oder elllange Listen
von Filmen und Elementen, die jetzt so wahnsinnig noir sind.
Man fragt sich im Endeffekt, okay, was ist jetzt der Mehrwert,
den ihr irgendwie glaubt zu erreichen.
Und das ist beim Film Noir echt ärgerlich. Ja, sehr ärgerlich.
Und ich glaube, das haben wir auch festgestellt am Ende von unseren Arbeiten,
was nämlich wirklich das Spannende ist.
Also dieser Bruch mit den Genre-Konventionen, der Bruch auch mit den typischen
Hollywood-klassischen Narrationsmodellen, also ganz viele lose Enden,
ganz viele Charaktere, von denen man nicht weiß, was sie eigentlich wollen.
Das wird immer völlig unter den Tisch gekehrt. Das wird viel,
viel, viel zu wenig betrachtet,
inwieweit Film Noir wirklich faktisch einen Bruch mit dem klassischen Hollywood
in der Narration darstellt, vor allem, würde ich sagen.
Ja, diese Auseinandersetzungen versuchen immer den Film Noir so als völlig isoliert
zu betrachten. Also viele bedenken dann nicht, also ja, soziale Rückbindungen
an die Umstände, an die Geschichte der Zeit etc.
Aber der Film Noir wird irgendwie sehr selten in einer filmischen Tradition
untersucht, dass du gerade sagtest,
dass er tatsächlich den Film Noir auch zuallererst als Element oder als Teil
des Studiosystems denken muss und dann feststellen kann, eigentlich passt das überhaupt nicht rein.
Und das sind so Sachen, die überhaupt untersucht wurden, wo irgendwie...
Oder sie werden untersucht und sie gehen einfach unter, weil man vor lauter
Literatur nicht mehr weiß, wo man gucken soll.
Das war frustrierend. Sie mögen den Film-Noir nach wie vor? Absolut.
Das kann man, also ja, die Filme sehr, aber bei der Literatur vergeht einem
leider tatsächlich ein bisschen die Freude.
Phil
Die Filme sind also toll, nur sobald man sich ein bisschen mehr damit beschäftigt,
Stellt man fest, es gibt auch noch viele andere Filme, die unter der Flagge
des Filmnoirs schiffen,
die eben nicht so geil sind wie die großen Big Ten sozusagen und sobald man
anfängt, sich mehr Informationen zusammenzusammeln, weiß man gar nicht, wo oben und unten ist,
was also im Grunde dann ja eine...
Eine persönliche Abneigung, also eine emotionale Abneigung gegen den Film Noir ist.
Gast
Nicht mal gegen den Film Noir, gegen die Forschung zum Film Noir. Genau.
Phil
Wie bitte?
Gast
Nicht gegen den Film Noir selber, sondern eher wirklich gegen die Forschung zum Film Noir.
Gegen das, was die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema angeht.
Beziehungsweise das Ganze eigentlich weiterführt, dass man tatsächlich anfängt,
diese ganzen Genrekonventionen infrage zu
stellen. und auch diesen ganzen Kategorisierungswahn infrage zu stellen.
Also wenn man irgendwie nach einem Film bei Wikipedia sucht und der irgendwie
in fünf verschiedene Drama, Krimi, Detektiv, Film, Noir, was auch immer einsortiert ist,
fängt man halt an, wirklich in Zweifel zu ziehen, warum muss alles gelabelt werden?
Warum muss jeder Film irgendwie, sind wir noch so abhängig von diesem Kommunikationsvertrag,
den man eben zwischen Rezipienten und Distribuenten und was du alles gerade
vorhin so wunderschön aufgezählt hast,
schließen muss, braucht man das oder kann man nicht den Film wirklich eben als
für sich stehend oder auch in einer Reihe stehend in Tradition mit anderem sehen?
Das finde ich ein bisschen, da habe ich mich, glaube ich, sehr daran gestoßen,
dass man zu schnell Film eben dieses Film-Noir-Label, Neo-Noir-Label aufdrückt,
nur weil halt eben, da sind wir wieder bei der Jalousie, weil im Büro halt eine
Jalousie vom Fenster ist.
Phil
Finde ich eigentlich schon fast ein in sich schönes Schlusswort, muss ich sagen.
Gast
Ja, es würde ja sogar passen, weil Betty ja leider gleich weg muss.
Sonst fangen wir jetzt an, uns wirklich aufzuregen.
Ja, aber ich würde mich dem nochmal anschließen, um das Schlusswort nochmal
zu erweitern. wenn man mir verzeiht.
Denn das auch in irgendeinem Text stimmt. Schöne feststellt.
Wir haben echt so viel Weiße gelesen.
Unglaublich. Ein schöner Punkt war, dass halt Noir als Adjektiv plötzlich an
alles gehängt wird, was man irgendwie cool haben will.
Das hast du in meiner Hausarbeit gelesen. Ja, aber nee, ich hab's auch in irgendeinem
Text vorher, ich hatte das ja sogar zitiert in dem Text.
Ist auch egal. Der Punkt ist jedenfalls, dass Noir zu so einem Szene-Mode-Adjektiv geworden ist.
Vor allem in der Filmkritik in den letzten Jahren, wenn man jetzt darauf achtet,
nachdem man sich damit beschäftigt hat, kriegt man erst kalte Kotzen,
wie oft Noir auftaucht, in Zusammenhängen, wo einerseits,
Man sich fragt, warum das jetzt als Noir bezeichnet wird und andererseits dann
sich ärgert, dass die Leute, die dieses Adjektiv benutzen, bitte ich überhaupt
keine Ahnung haben, was sie da tun.
Und irgendwie damit so eine pseudointellektuelle Masche abziehen von wegen,
oh, guck mal, ich hab das Wort Noir benutzt, ich bin super krass in der Filmwissenschaft
drin und hab super Ahnung von Filmgeschichte.
Und beim zweiten Blick stellt man fest, okay, nee, eben nicht,
eben genau deswegen nicht.
Und darum ärgert man sich wirklich fast jedes Mal, wenn man dieses Wort Noir
liest, weil es immer völlig ignorant und ungeflektiert an alles angeklatscht
wird, was irgendwie dunkel und gebrochen ist.
Und das ist super ärgerlich, dass es so missbraucht wird eigentlich.
Und wird dem halt nicht gerecht. Nee, genau.
Jetzt haben wir genug gestört. Ja, ein bisschen problemig zum Schluss.
Phil
Ja, ganz genau. Wir müssen ja auch etwas generieren, um Kommentare zu provozieren.
Wenn ihr also eine ganz, ganz andere Meinung habt als Lars oder Betty zum Film
Noir oder eben ihr ins selbe Horn reinstoßt und sagt, ja,
endlich mal jemand, der die Fakten wirklich mal auf den Tisch legt und sagt,
dieses Stilmittelpaket ist absolut overhyped, beziehungsweise hat schöne Aspekte,
aber eben auch nicht, hat auch seine Schattenseiten. Haha, Wortspiel.
Dann dürft ihr das natürlich gerne in die Kommentare unter dieser Sendung posten.
Wir lassen euch natürlich immer wieder gerne zu Worte kommen und greifen auch
immer wieder die Aspekte gerne mal auf.
Auch wenn ihr irgendwie sagt, hey Mensch, ihr habt da jetzt so eine Betrachtung vom Film Noir gemacht.
Nehmt doch mal tatsächlich, ihr habt schon häufiger gesagt, den Western.
Ihr scheint euch da auszukennen.
Redet doch mal über den Western. Wir sind da total offen. Schreibt gerne in
die Kommentare rein, was euch alles so einfällt.
Das war jetzt ein Beispiel. ich möchte nicht über den Western sprechen,
wobei vielleicht ist das genau die richtige Grundlage, um über den Western zu
sprechen, weil ich da eher abgeneigt bin.
Vielleicht ergibt sich daraus auch ein ganz interessanter Themenkomplex. Auf jeden Fall,
Schreibt in die Kommentare, natürlich, was euch dazu einfällt.
Ja, und natürlich gewissermaßen geht diese Nerd Talk Extended Serie weiter.
Wir haben uns schon das nächste Thema rausgesucht. Herr Dolkemeier, welches ist es?
Gast
Ich hab's gerade mal, ohne dass Frau Köhler das mitbekommen hat,
in Konzertzettel mit dir abgesprochen.
Genau, es wird in der nächsten Extended, also die von hier aus gesehen in ungefähr
vier Wochen erscheinen dürfte, wird es um 3D gehen.
Ein bisschen... Muss ich da da sein? Ja, natürlich. Ich mag nur in 3D.
Das ist sehr gut. Wir hatten ja bis dahin eine Sitzung dazu.
Nee, hatten wir nicht. Die ist später. Nee, die ist... Dann müssen wir damit...
Dann schiebt sich's vielleicht ein bisschen auf. Wir werden das ja merken,
wann diese Episode kommt zu 3D.
Genau. Aber Lars, wir haben so viele beste Ideen.
Superhelden, Western, Musical. Ja, aber jetzt haben wir uns... Das ist jetzt nur durch.
Phil
Frau Köhrer.
Gast
Da können Sie jetzt auch nichts planieren. Wir werden ja auch das nächste wahrscheinlich
wieder direkt eine Doppelfolge aufnehmen, die dann... Also, wir schauen mal
auf jeden Fall das nächste Thema.
Wir schauen erst mal, ob irgendjemand das hier wird. Nerd Talk Extended Nummer 3 wird 3D sein.
Ein bisschen rückgebunden an die Frage, die wir eben schon oder war das in der ersten Episode?
Wie wir irgendwann erwähnten, das Kino hat immer das Gefühl,
es müsste sich selber vor irgendjemandem retten und er findet immer wieder neu 3D.
Und da schauen wir dann ein bisschen mal, wie sich das damit,
also mit der Geschichte des 3D-Kinos verhält.
Spannend. Genau, wir selber haben noch nicht so wahnsinnig viel an,
wir werden uns bis dahin das Ganze anlesen und dann entsprechend fachkundig diskutieren.
Phil
So sieht es nämlich aus. Dann auf jeden Fall vielen Dank für eure fachkundige
Betrachtung des Filmnoirs.
Ich fand es ganz interessant, dass ihr am Anfang gesagt habt,
das ist irgendwie jetzt nicht so euer Themengebiet, den wir dann im Grunde am
Ende herausgefunden haben,
dass Filmnoir ihr eigentlich dann doch ganz gerne mögt und eben einfach dort
weitere Faktoren mit hineinspielen, dass man eben diesen gesamten Begriff Filmnoir
ein bisschen zumindest hinterfragen sollte. Fand ich sehr, sehr interessant.
Und ich bin echt gespannt, wie es mit 3D nächstes Mal wird.
Auf jeden Fall, ja, Dank an euch. Dank natürlich auch an die Hörer,
dass ihr fleißig dabei wart.
Und ja, es wird ganz spannend, glaube ich, nächstes Mal 3D in Nerdtalk Extended.
Ja, schaltet auf jeden Fall dann wieder ein und bis dahin viel Spaß im Kino.
Viel Spaß vielleicht auch mit dem Film Noir, dessen Interesse jetzt gerade erst geweckt wurde.
Gast
Lasst euch nicht abschrecken. Schaut euch ein paar Filme an, macht ein eigenes Bild.
Wir sind gespannt auf eure Anregungen. Vielen Dank fürs Hören.
Bis zum nächsten Mal. Bis zum nächsten Mal. Tschüss.
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