(Sorry, dieser Artikel sollte vor sage und schreibe vier Wochen schon online gehen. Nun läuft die „Rundshow“ schon nicht mehr, die eigentlich Anlass für diesen Artikel war, aber ich denke, dass der Beitrag trotzem noch aktuell und diskussionswürdig ist. Immerhin: das lange Warten hat zurmindest zur Folge, dass gerade gestern ein Kommentar bei Spiegel Online erschienen ist, der sich mit dem gleichen Thema beschäftigt. Auch lesenswert!)
So langsam glaube ich ja auch, dass dieses Internetz nicht nur ein neumodischer Trend ist, sondern sich tatsächlich halten könnte. Und ebenso wie ich scheinen auch immer mehr Fernsehschaffende das Internet für sich (und ihre Zuschauer) zu entdecken.
Auch der „Tatort goes Internet“
Vor kurzem lief erstmals ein „Tatort“, immerhin seit mehr als 30 Jahren eine Bastion in Sachen deutscher Krimi-Kultur, in der die Zuschauer nach Sendeschluss online den Täter ermitteln konnten. Meiner Meinung nach war das sehr stimmig gemacht: entgegen dem sonst geltenden Credo, dass am Ende immer ein Täter präsentiert werden muss, konnten die TV-Ermittler diesmal einer fünfköpfigen Jungs-Clique zwar einen Mord nachweisen, nicht aber, wer letztlich der genaue Täter war. Ein offenes Ende wie es zwar selten, aber doch hin und wieder im „Tatort“ vorkommt – und was dieses Format auch immer wieder interessant macht. Schleißlich lässt einen so ein „Im Zweifel für die Angeklagten“ doch meist etwas nervöser zurück als der sonst so übliche geschnappte Täter. Zum Ende der Fernsehausstrahlung wurde auf www.tatort.de hingewiesen, wo Zuschauer anschließend in einem interaktiven Spiel, ähnlich einem Adventure weiter ermitteln konnten. Dank starker Server-Auslastung und somit sehr langsamer Verbindungsgeschwindigkeiten entwickelte sich das Point-and-Click-Programm zum Schneckenrennen. Aber: immerhin ein Ansatz, mit dem testweise mal probiert wird, die beiden Medien Fernsehen und Internet zu verbinden. Wenig erfolgreich, aber dennoch lobenswert.
„zdf:login“ – An der Moderation gescheitert
Und sonst so? Da gäbe es noch „zdf:login“ auf zdf-info. Eine Talkshow, die sich jeweils einem speziellen Thema widmet und durch Feedback und Fragen aus den sozialen Netzen Twitter und Facebook ergänzt werden soll. Leider scheitert die Sendung zu häufig schon an ihrem Moderator, der dem interaktiven Ansatz oft in die Parade fährt und anstatt Diskussionen in Richtungen zu lenken, die anscheinend von den Zuschauern gerne näher ausgeleuchtet werden sollten, knallhart seine vorgemerkten Notizen auf seinen Moderationskärtchen abarbeitet. Interessanter ist die Sendung schon wenn die versierte Journalistin Dunja Hayali die Moderation in die Hand nimmt (merke: die Sendung hat wechselnde Moderatoren), die weit souveräner auch mal auf überraschende Gesprächsverläufe eingehen kann. Letztlich krankt die Sendung aber dann doch zum einen daran, dass der Gesprächsverlauf doch viel zu vorgezeichnet ist und das Feedback aus dem Netz so nebenbei eingebaut wird, dass man genauso gut das Saalpublikum befragen könnte. Immerhin: „zdf:login“ ist mal eine politische Talkshow, die sich nicht an das übliche Jauch-, Illner-, Will-Publikum wendet, sondern eine jüngere Zielgruppe erreichen will. Schön, dass Politiker dadurch auch mal gefordert werden, sich der jüngsten Wählergruppe zu stellen und gängige Phrasen durch verständliche und konkrete Aussagen zu ersetzen.
„Rundshow“ – Hauptsache interaktiv, auch wenn’s „one-way“ bleibt
Seit dieser Woche gibt es nun ein neues Format im Bayrischen Rundfunk. Die „Rundshow“, die im Anschluss an die Spätausgabe der „Rundschau“ läuft. Eigentlich auch ein schöner Ansatz: „Rundschau“-Moderator Richard Gutjahr bekam von den Senderverantwortlichen einen interessanten Auftrag: „Hier, machen Sie mal was mit diesem Internetz. Probieren Sie mal ein wenig rum. Wir geben Ihnen vier Wochen.“ Nun könnte man meinen „Mutig, mutig! So aufgeschlossen kennen wir den BR doch eigentlich gar nicht.“ Stimmt schon, aber der Mut hört schon beim Sendeplatz auf: einen festen Sendeplatz hätte man ja gar nicht mal erwartet, aber eine Sendung ins Programm zu nehmen, die dann täglich nach 23 Uhr läuft, erreicht vielleicht dann doch nicht das Zielpublikum, das – im Gegensatz zu vielen anderen Sendungen des BR – wohl noch berufstätig sein dürfte. Kurzum: wenn ich am folgenden Tag um 5:30 Uhr aufstehe, ist mir das zu spät. Mag für Hipster funktionieren, deren Tag frühestens um 10 Uhr beginnt, wenn sie mit einem Cafe Latte von Starbucks in die Agentur schlendern. Für mich leider nicht. Aufnehmen ist auch nicht so wirklich der Knaller, schließlich lebt das Format davon, dass man sich selbst rege beteiligen soll – bei Aufzeichnungen eher schwierig.
Doch wie sieht diese Interaktion denn eigentlich aus? Grundsätzlich gut: vormittags wird per Twitter und Facebook gefragt, welches Thema abends in der Sendung ausführlich beleuchtet werden soll. Das Publikum wählt aus verschiedenen Themen aus, beeinflusst somit die Redaktionssitzung und kann per sozialer Netzwerke dann auch Infos und Meinungen beisteuern. Für die Sendung wurde eine spezielle Smartphone-App für iOS und Android entwickelt, mit der man beispielsweise Bilder an die Redaktion schicken oder sich an Umfragen beteiligen kann. Besonderer „Clou“ (voller Absicht in Anführungszeichen): mit dem Drücken von „Daumen hoch“- und „Daumen runter“-Tasten kann man während der Sendung jederzeit mitteilen, wie sie einem gerade gefällt. Wird ein Gesprächspartner zu ausführlich oder speziell, geht fix der Daumen runter. In der Sendung werden diese Trends dann akustisch mit Jubel oder Buh-Rufen verdeutlicht. Gesprächsgäste werden per Google-Hangout zugeschaltet, weitere Zuschauermeinungen werden wie bei „zdf:login“ aus den sozialen Netzwerken vorgelesen. Außerdem gibt es am unteren Bildrand eine Shoutbox, in der im 10-Sekunden-Takt Tweets und Facebook-Beiträge eingeblendet werden.
Meine Meinung: grundsätzlich ein guter Ansatz, aber zu viel kreuz und quer. Klar, die Sendung ist ein Testballon und es wird viel experimentiert. Leider kommt dabei nicht allzu viel rum. Die Messagebox im unteren Bildbereich hat die Anmutung dieser unsäglichen Nachrichten, die bei Musiksendern gerne als Laufband durchscrollen: „Marita und Sandy – Best friends forever“, „Ich grüße alle Leute aus Karlsruhe!“, „Susi – I love you!“. Selbst wenn diese Beiträge redaktionell aufgearbeitet wurden, so dass tatsächlich nur jene gesendet werden, die inhaltlich mit dem Thema zu tun haben, es vielleicht sogar weiter voran bringen: es lenkt ab. Zum einen lenkt es von der Diskussion ab, die von den Moderatoren gerade geführt wird, zum anderen werden diese Beiträge gar nicht in das Gespräch eingebaut.
Der Google-Hangout kann durchaus eine interessante Sache sein, denn in der Sendung zum Thema „Relegationsspiel Hertha – F95 in Düsseldorf“ kam so ein Ultra-Fan zu Wort, was in solchen Talkshows nicht unbedingt selbstverständlich ist (hier vermisse ich dann schmerzlich „Explosiv – der heiße Stuhl“…). Wo jetzt genau aber der Vorteil ist, dass man das über ein hakendes und pixeliges Google macht und nicht über eine richtige Fernseh-Schalte in ein Studio, erschließt sich mir nicht. Will heißen: ist für meinen Geschmack nicht wirklich innovativ, wenn man einfach nur den Übertragungsweg von Bild und Ton ins Netz auslagert. Von den gut 8 Personen, die am Hangout beteiligt waren, kamen übrigens nur zwei überhaupt zu Wort. Die anderen starrten wie auf Standby in ihre Webcams.
Kommen wir zu dem wohl interaktivsten Punkt: den Abstimmungstasten, mit denen die Zuschauer bewerten können, wie gut ihnen die Sendung gerade gefällt. Im Gegensatz zu den sonstigen Einzelmeinungen, die über den Bildschirm flimmern, kommen hier alle Zuschauer zum Zuge. Auch hier kann mein Urteil nur vernichtend sein. Während der Sendung hörte man zwar hier und da mal Jubel oder Buh-Rufe, so richtig zuzuordnen waren sie aber nur ganz selten. Einmal wurde tatsächlich von einem Moderator gesagt: „Ha, da höre ich doch gerade Jubel für diese Aussage.“ Auf einem Zeitstrahl ließen sich die Moderatoren zum Ende der Sendung hin dann eine Statistik anzeigen, die auf einer Minutenskala anzeigte, wie das Publikum die Sendung fand. Minute 18 war ein gigantischer Ausreißer. Allein: mit der Aussage anfangen konnte man nix – am wenigsten die Moderatoren. Deren Kommentar auf die Frage „Was war denn in Minute 18 los? Da ist ja voll die Bewertungs-Spitze?“ war ein ratloses „Das müssen wir mal in der Nachbesprechung klären.“ Für den Zuschauer an sich nicht wirklich aussagekräftig. Wenn man zu den Werten keine Aussagen treffen kann, dann braucht man sie auch gar nicht einzublenden, sondern nutzt sie nur intern für die Nachbesprechung.
Und auch hier Kritik: kurz nach der Sendung lief ein Tweet durch meine Timeline (sinngemäß): „Wir freuen uns jetzt auf die Nachbesprechung mit Euch.“ Super, dachte ich. Jetzt hat man noch mal Gelegenheit seinen Senf dazuzugeben und Manöverkritik zu machen. Irgendwann hieß es dann aber: „So, Schluss für heute!“. Naja, nicht „irgendwann“… Wenn man mal auf die Uhrzeit schaute, liegen zwischen der Einladung zur Nachbesprechung und deren Ende gerade mal 12 Minuten. Ob das wirklich genug Zeit ist, um konstruktiv mit seinen Zuschauern in einen Dialog zu kommen?
Nennt mich schwarzseherisch, aber selbst wenn ich der Sendung gerne einen gewissen Welpenschutz zugestehen möchte, glaube ich nicht, dass wir hier was wirklich revolutionäres sehen, das die Verbindung zwischen Internet und Fernsehen nachhaltig verändern wird. Die Verbindung TV-Internet wird es auch zukünftig sehr schwer haben.
ARD oder: so könnte es klappen
So viel gemeckert und kritisiert. Habe ich jetzt vielleicht auch ein paar konstruktive Ansätze? Nun ja. Ein gutes Beispiel, wie man das Internet in eine Sendung einbauen kann, bringt wöchentlich „Hart aber fair“. In der 75-minütigen Sendung wird nach rund einer Stunde die ARD-Redakteurin Brigitte Büscher zu Herrn Plasberg zitiert, um ihm ausgewählte Zuschauermeinungen vorzulesen, die per Mail oder Chat eingegangen sind. Gut, hier gibt es keine „Interaktivität“, es ist nicht „der heißeste Scheiß seit ICQ“, aber immerhin haben diese Zuschauermeinungen eine Substanz. Anstatt wahllos Tweets über den Bildschirm wandern zu lassen, wählt die Redaktion hier Meinungen aus, die dem diskutierten Thema neue Aspekte hinzufügen. Oder Meinungen, die an den Grenzen beider Seiten des Meinungsspektrums sind. So stelle ich mir gute Zuschauerbeteiligung vor, dafür muss man gar nicht mal immer im Hintergrund irgendwelche Nasen vor ihren Webcams in einem Google-Hangout sehen.
Internet und Fernsehen scheinen für mich bis auf weiteres unvereinbar zu sein. Einzig eine Idee aus der „Rundshow“ könnte man tatsächlich mal aufgreifen. Warum nicht eine App zimmern, mit der Zuschauer schnell und interaktiv abstimmen können? Vorzustellen wäre das in etwa so wie bei „Wer wird Millionär“, wo der Moderator alle (Studio-)Zuschauer bittet, jetzt mal schnell abzustimmen. Was spricht dagegen in einer Talkshow so etwas einzubinden? „Tempo 130 auf deutschen Autobahnen? Was halten Sie vom Betreuungsgeld? Wie stehen Sie zu Mindestlöhnen? Stimmen Sie jetzt ab! A, B oder C?“. Schon eine Minute später könnten die Zuschauer-Ergebnisse präsentiert und in die Diskussion mit aufgenommen werden. Quasi das gleiche Prinzip wie seinerzeit mit dem „zdf-Wunschfilm“ oder so, wie man es heute von Telefon-Votings a la „DSDS“ kennt. Nur eben, dass heute alles ein wenig schneller geht – dank Internet.
Was meint Ihr? Was haltet Ihr von der „Rundshow“? Wie würdet Ihr das Internet in das Fernsehprogramm integrieren? Was ist sinnvoll? Was ist Kokolores?