Drehbuch: Feo Aladag, Matthias Kock, Judith Kaufmann
Schauspieler*innen: Ronald Zehrfeld, Mohsin Ahmady, Saida Barmaki, Salam Yousefzai
Kinostart D: (FSK 12)
Originaltitel: Zwischen Welten
Laufzeit: 1:38 Stunden
Filmkritik zu Zwischen Welten
Der Film ist dreigeteilt und gerade das erste Drittel macht den Einstieg in den Film ungewohnt schwer. Wenig Dialoge, der Film versucht, mit Bildern eine Stimmung zu generieren. Man sieht Jesper in Afghanistan ankommen, Sport machen, bedeutungslos in die Kamera schauen. Er zieht mit seiner Truppe durch Gassen, sucht mit Hilfe von Tarik Kontakt zu den Afghanen. Alltag der Bundeswehr, keine wahren Aufhänger zur Identifikation.
Ab dem zweiten Drittel nimmt der Film an Fahrt auf, obwohl er weiterhin nahezu ohne Musik bleibt, exzessive Dialoge weiterhin in den Hintergrund stellt und die Bilder wirken lässt. Eigentlich ist das zweite Drittel eher Tariks Drittel: Man lernt die Seite der Afghanen kennen, die ständige Angst und Armut, denen sie sich ausgesetzt sehen. Die Unterdrückung der Frauen, der schmale Grat zwischen Wut und Dankbarkeit der Bundeswehr gegenüber. Man versteht als deutscher Zuschauer, was „da unten“ wirklich passiert und welchem kulturellen Druck die Bundeswehr hier ausgesetzt ist – ganz ohne Gewalt. Immer wieder werden Grenzen überschritten und man muss trotzdem gemeinsam den richtigen Weg gehen.
Das letzte Drittel gehört Jesper, der nun mehr als vorher die sterile Mission als ein Menschenhilfs-Projekt auslebt – diese Menschen benötigen Hilfe. Und spätestens jetzt versteht man den für den Zuschauer holprigen Einstieg: Das arme und unterdrückte Afghanistan benötigt die Unterstützung, doch will man hier und jetzt wirklich unterstützen, hemmt die Befehlskette – ein nervenzerreissender Vorgang.
Die Inszenierung des gesamten Films ist schlichtweg gelungen: Großartige Schauspieler, allen voran natürlich Ronald Zehrfeld und der Schauspiellaie Mohsin Amady, die ein sehr gutes Team abgeben. Die Lage des Landes kommt beim Zuschauer auch ohne klischeebehaftete Talibankämpfer an, der innere Zwist von Jesper ist ständig spürbar. Die afghanische Sprache wird nicht untertitelt, schließlich gibt es Tarik, der für Jesper übersetzt. Und doch gibt es wenige Szenen, wo auch die afghanische Sprache untertitelt wurde – hier merkt man die teils abweichende Übersetzung durch Tarik, der so nicht nur Situationen auf eigene Faust deeskaliert, sondern auch als Wanderer zwischen den Kulturen agiert.
Am Ende des Films wird Jesper die Frage gestellt, wie er sein Handeln rechtfertige – es wirkt wie Hohn, hat man die Probleme selbst knapp 2 Stunden mitverfolgt. Die letzte Szene gehört Tarik und man ist so mitgenommen vom Film, dass man nicht nur in Gedanken zusammenzuckt.
Ein wirklich großer Film, der mit seiner Ruhe und Nachdenklichkeit genau den Nerv des Zuschauers trifft. Dass der Film direkt in Afghanisten mit echten Dorfbewohnern gedreht wurde, untermauert die gewünschte Wirkung des Films. Und die Wirkung wird erreicht: Noch nach dem Abspann muss man den Film sacken lassen, in allen Facetten beleuchten und für sich selbst entscheiden, was richtig oder was falsch ist.
Wenn es überhaupt ein „Richtig“ und „Falsch“ gibt…