Drehbuch: Werner Herzog
Schauspieler*innen: Christian Bale, Steve Zahn, Toby Huss, François Chau
Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (FSK PG-13)
Originaltitel: Rescue Dawn
Laufzeit: 2:06 Stunden
Filmkritik zu Rescue Dawn
„Survival of the fittest“ ist seit Jahrtausenden ein gängiges Prinzip, dem sich nicht nur diverse ausgestorbene Tierarten unterordnen mussten. Auch bei den Menschen, die absoluten Ausnahmesituationen ausgesetzt sind, überlebt oft nur der Stärkere. Das beste und zugleich wohl grauenhafteste Beispiel ist der Krieg.
Der deutschstämmige US-Pilot Dieter Dengler wird zu Beginn des Vietnamkriegs zu einer Notlandung im benachbarten Laos gezwungen. Dass auch in diesem krisengeschüttelten Land Amerikaner nicht gern gesehen sind, muss er schnell feststellen. Kaum ist sein Flieger mit Ach und Krach auf einem Reisfeld abgestürzt, wird er von bewaffneten Kriegern verfolgt. Nach seiner Gefangennahme versucht er andere Kriegsgefangene zu einem gefährlichen Ausbruchsversuch zu überreden. Die Frage ist nur: wohin flüchten, in einem Land, das fast nur aus undurchdringlichem Dschungel zu bestehen scheint?
Christian Bale gehört für mich zu den besten Schauspielern unserer Zeit. Selbst in Filmen, die nur nach einer mittelmäßigen schauspielerischen Leistung verlangen (Die Herrschaft des Feuers * , The Dark Knight ) kann er glänzen. Unvergessen sein eindrucksvoller Auftritt als und in American Psycho * . Man bekommt oft das Gefühl, dass er seine Rollen wirklich verinnerlicht hat; sie förmlich lebt. Dieses Herzblut macht – nebenbei bemerkt – für mich auch so manchen Ausrutscher verzeihbar.
In Rescue Dawn gibt Bale nun also einen amerikanischen Kriegsgefangenen in Laos. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit: Dieter Dengler ist ein enger Freund des Regisseurs Werner Herzog (Fitzcarraldo * ). Entsprechend erscheint das Gezeigte zum Großteil sehr authentisch, auch wenn die Geschichte an sich haarsträubend ist. Doch sind es nicht genau diese außergewöhnlichen, ja fast unglaubwürdigen Geschichten, die ihren Weg auf die Kinoleinwand finden?
Den Niedergang eines hochmotivierten Kampfpiloten hin zu einem ums blanke Überleben kämpfenden Hungerhaken, setzt Bale mit Bravour um. Die überhebliche Freude zu Beginn der Mission nimmt man ihm ebenso ab wie den fast verzweifelnden Flüchtling, den scheinbar nur der blanke Lebenswille über Wasser hält. Doch auch die anderen Akteure steuern ihren Teil dazu bei, aus Rescue Dawn einen sehenswerten Film zu machen: Jeremy Davies (Lost * ) sieht nach zwei Jahren Kriegsgefangenschaft aus wie Charles Manson auf Hungerkur (ebenso verwirrt sind seine Worte), Steve Zahn überzeugt als in der Gefangenschaft gebrochener GI, der ein durch und durch antriebsloser Mitläufer ist.
Herzog teilt seinen Film sehr geschickt in drei Teile, die dank der Laufzeit von zwei Stunden, jede für sich genug Raum bekommen, um wirklich wirken zu können. Der anfängliche Teil zeigt Absturz, Versteckspiel vor den Jägern und Gefangennahme inklusive Folter. Zwar wirken die Bilder authentisch, zielen aber zum Glück nicht zu sehr auf die Darstellung von Gewalt ab. Folter wird meist nur angedeutet anstatt sie explizit in Großaufnahme zu zeigen. Im Mittelteil folgt Denglers Aufenthalt im Gefangenenlager. Dort knüpft er Verbindungen zu seinen Mitgefangenen, die durch ihre unterschiedliche Art und ihr teils unberechenbares Verhalten ebenfalls für Spannung sorgen können. Auch der abschließende Teil, die Flucht durch den menschenfeindlichen Dschungel, wurde gut in Szene gesetzt. Man bekommt ein scheinbar realitätsnahes Bild davon, wie sich ein flüchtender GI in Laos fühlen muss.
Der Film hat zu jeder Zeit seine spannenden Momente. Seien es die Konfrontationen mit den Wächtern des Gefangenenlagers, die Streitereien der Gefangenen untereinander oder auch der beschwerliche Weg durch den dichten Dschungel, der hinter jedem Baumstamm eine neue Gefahr zu bergen scheint. Richtige Längen konnte ich in dem Film zumindest nicht finden.
Zu Beginn gab es hier und da einige Schnitzer. Vor allem einige Flugzeug-Szenen wirkten gestellt oder unrealistisch; der Handlung an sich tut das aber keinen Abbruch.
Zum Glück habe ich diesen Film, der in Deutschland direkt als DVD veröffentlicht wurde, im Original gesehen. Hat sich gelohnt, zumal das Magazin Cinema * von der deutschen Synchronisation stark abgeraten hat. Erst im Original wird das Können Bales erst wirklich greifbar. Einen arroganten US-Piloten zu spielen, der sich darauf freut, endlich mal ein paar Vietcong-Asses kicken zu dürfen, ist keine Kunst. Wohl aber einen Mann zu spielen, der nach und nach immer mehr degeneriert. Einen Mann, der sehr glaubwürdig vor lauter Adrenalin anfängt, mit sich selbst zu sprechen. Einen Mann, der in den langen Wochen der Gefangenschaft immer ausgezehrter wirkt. Und auch einen Mann, dem man die Freude über die letztendliche Rettung voll abnimmt. Wie schon für The Machinist hat sich der Vollblut-Schauspieler Bale fast 30 Kilo heruntergehungert, um authentisch zu sein. Auch in Rescue Dawn merkt man, dass er nicht von seinem bequemen Bett im Set-Trailer in die Szenen gesprungen ist. Das wäre zu einfach und auch nicht glaubwürdig. Nach Aussagen von Steve Zahn gab es am Set im Dschungel überhaupt keine Trailer.
Jaja, ich weiß: ich sehe Bale durch eine rosarote Brille, aber nichtsdestotrotz bin ich der festen Überzeugung, dass ich da mal wieder einen wirklich guten Film gesehen habe.