Drehbuch: Doris Dörrie
Schauspieler*innen: Rosalie Thomass, 桃井かおり, Nami Kamata, Kurumi Aizawa
Kinostart D:
Originaltitel: Grüße aus Fukushima
Laufzeit: 1:44 Stunden
Filmkritik zu Grüße aus Fukushima
Ein Film, gedreht in der Sperrzone, die nach Erdbeben und Reaktorunfall in der japanischen Provinz Fukushima 2011 eingerichtet wurde. Ein Film, der sich der Geschichte zweier Frauen widmen möchte, die umgeben von Zerstörung und lebensfeindlichen Bedingungen gerade in sich umso mehr Lebensenergie finden.
Marie (Rosalie Thomass) reist aus Deutschland nach Japan – nicht etwa zur Erholung, sondern um vor ihrem eigenen Leben zu fliehen. Am Rande der Sperrzone von Fukushima arbeitet sie als Clown in den notdürftig eingerichteten Senioren-Unterkünften für all diejenigen, die nicht in ihre Häuser zurückkehren können. Als Satomi (Kaori Momoi) aus dem Camp flieht, um heimlich in der Sperrzone ihr Haus wiederaufzubauen und in ihr altes Leben zurückzukehren, beschließt Marie kurzum, ihr zu folgen. Schnell stellen die beiden fest, dass die Vergangenheit nicht für ewig auf Abstand gehalten werden kann und jeder sich früher oder später mit seinen eigenen Entscheidungen auseinandersetzen muss.
Doris Dörrie entwickelt in ihrem Film eine berührende Erzählung zweier Leben auf der Flucht. Aus völlig verschiedenen Gründen sehen sich die beiden weiblichen Figuren ihrer eigenen Vergangenheit ausgesetzt. Die erfahrene Nami, ehemalige Geisha, Meisterin der Selbstbeherrschung und Disziplin, gibt in ihrem Zusammentreffen mit der ungestümen Marie dabei Weisheiten aus ihrer Erfahrung an die jüngere Frau weiter. Marie lernt, in sich zu ruhen, zu sich selbst zu finden und sich ihren Gefühlen zu stellen – auch wenn gerade Nami sich dafür in ihrem eigenen Leben noch nicht bereit fühlt und so beide einander eine große Hilfe sind.
Das Problem des Films ist jedoch, dass diese Erzählung beinahe exklusiv aus der Perspektive der deutschen Touristin erzählt wird. So sehr der Film sich auch bemüht, Marie nicht als Touristin, sondern als organisches Element einer kreisenden Erzählung zu etablieren, es bleibt bei einem Blick auf Japan, der jede Sekunde in reine Klischees aufzubrechen droht. Der Besuch in der Ferne gestaltet sich zudem über das Setting schnell zum Elends-Tourismus: Diese Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz – was geht es uns in Deutschland doch gut! Selbsthilfe über das Leid anderer bekommt ganz schnell einen faden Beigeschmack.
Und das ist schade – denn nötig gehabt hätte Grüsse aus Fukushima das kein bisschen: Die Geschichte zweier Menschen, die mit unterschiedlichen Erinnerungen umzugehen lernen, die sich gegenseitig mit ihren Erfahrungen bereichern und einander ans Herz wachsen, ist in aller Langsamkeit der schwarz-weißen Bilder wunderschön erzählt. Mitunter bricht die strenge Komposition des Films in unmotivierte Handkamera-Einstellungen auf – über weite Strecken entfaltet sich jedoch eine poetische Bildsprache, die den Film trägt. Dass dafür das Setting in Fukushima und die spezifische Konstellation der Figuren gewählt wurde, trägt zum Kern der Geschichte rein gar nichts bei – allenfalls seltsam anmutenden Schauwert der Produktionsumstände. Grüße aus Fukushima ist keineswegs ein schlechter Film – er berührt, er fesselt, er interessiert. Aber leider entscheidet er sich für eine höchst problematische Perspektive.