Schauspieler*innen: Heino Ferch, Silke Bodenbender, Katharina Wackernagel, Jan-Gregor Kremp
Kinostart D:
Originaltitel: Vater Mutter Mörder
Laufzeit: 1:30 Stunden
Filmkritik zu Vater Mutter Mörder
Puh, so viel bedrückte Stimmung und so viel Inhalt wie hier in die ersten zwanzig Minuten gepackt wurde, habe ich lange nicht mehr erlebt. Von null auf jetzt ist man mittendrin. Ohne Schonzeit wird sowohl Vater Tom als auch der Zuschauer mit einer grausigen Wahrheit konfrontiert, die schier unglaublich scheint. Und so klammern sich sowohl Tom als auch dessen Frau (Silke Bodenbender) an jeden erdenklichen Grashalm, der vielleicht doch noch die Unschuld Ihres Sohnes beweisen kann. Interessanterweise wird in den ersten Minuten derart viel Handlung vermittelt, dass man sich fragt „Was soll nach den 20 Minuten noch kommen?“. Und auch wenn anfänglich alles auf einen einprasselt, so bricht der Film dennoch nicht in Hektik aus, sondern erzählt einfach straff eine Story, ohne auch nur eine Minute durchzuhängen.
Im Mittelpunkt des Filmes steht eindeutig Heino Ferch, dem es mit Bravour gelingt einen Mann zu spielen, der nach außen hin ruhig (und ratlos) ist, in dem es innen drin aber heftig brodelt. Und so wird Tom hin und hergerissen zwischen aufrichtiger Liebe zu seinem Sohn und abgrundtiefer Verachtung. Ferch spielt dabei so intensiv, dass einem ab und an eine Gänsehaut den Nacken runter läuft. Doch auch Silke Bodenbender kann durchaus überzeugen. Als Mutter möchte sie natürlich nicht wahrhaben, dass „ihr kleiner Lukas“ eine so abscheuliche Tat begangen hat. Im Verlauf der Geschichte hat auch sie einige Szenen, die so intensiv gespielt sind, dass sie in Erinnerung bleiben.
Besonders interessant ist die Dynamik, die eine solche Ausnahmesituation dem Ehepaar abverlangt. Während der Vater von Beginn an mit dem Schlimmsten rechnet und die Situation sehr nüchtern betrachtet, befindet sich die Mutter zunächst in einem wirren Gefühls-Chaos und lässt die Bluttat ihres Sohnes gar nicht an sich heran. Überraschend, aber durchaus gut nachvollziehbar ist die im Verlauf des Films folgende Wendung. Der anfangs so distanzierte und berechnende Vater steigert sich in eine Idee hinein, die seine – dann abgeklärte – Frau nicht nachvollziehen kann.
Zwei kleine Kritikpunkte meinerseits. Zum einen darf natürlich auch das Thema „Killerspiele“ nicht ganz unter den Tisch fallen. Dumm nur, dass hier tatsächlich nur eine einzige kurze Szene auf die Thematik eingeht, ohne Zusammenhänge zu erklären. So wird einfach nur ganz plump dem vorherrschenden Vorurteil genüge getan, dass Mörder ja immer Ballerspiele spielen. Es hätte überhaupt nicht gestört, das Thema ganz unter den Tisch fallen zu lassen. Zum anderen ging mir teilweise die Kameraarbeit ein wenig auf die Nerven. So manche Dialogszene mit drei Sprechern war tatsächlich brillant gelöst, indem die Kamera ohne Halt durch den Raum schwenkt und dabei immer genau gerade denjenigen zeigt, der gerade redet oder dessen Reaktion in dieser Sekunde wichtig ist. Aber an vielen Stellen war mir diese rotierende Kamera im Ballhaus-Stil dann doch zu viel. Manche Szenen hätte ich intensiver erleben können, wenn das Bild ruhig gewesen wäre. Nicht immer sorgt die Wackelkamera für Intensität.
Abgesehen von diesen beiden kleinen Makeln ist „Vater, Mutter, Mörder“ ein absolut empfehlenswerter Film, der ein tabuisiertes Thema aufgreift, das bisher wenig Aufmerksamkeit im Film bekommen hat: wie geht es den Eltern der Täter? Wer den Film nicht mehr in der Mediathek abgreifen kann, der sollte sich den Titel merken und bei einer Wiederholung durchaus mal den Fernseher anschalten. Wer dieses Thema lieber im Kino verarbeitet sehen will, der kann sich auf „We Need To Talk About Kevin“ mit Tild Swinton in der Mutter-Rolle freuen, der zwar schon in der halben Welt angelaufen ist, aber für Deutschland leider noch kein Startdatum hat. Immerhin bleibt uns die ebenfalls empfehlenwerte Romanvorlage.