Drehbuch: Smita Bhide, Waris Dirie, Sherry Hormann, Waris Dirie, Smita Bhide
Schauspieler*innen: Liya Kebede, Sally Hawkins, Craig Parkinson, Meera Syal
Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US:
Originaltitel: Desert Flower
Laufzeit: 2:00 Stunden
Filmkritik zu Wüstenblume
Meine Erwartungen an diesen Film waren nicht gerade hoch. Zwar war mir Waris Dirie bekannt und ihr Engagement gegen die Frauenbeschneidung ist auch wirklich verfilmungswürdig – aber irgendwie ist „Wüstenblume“ doch so ein richtig typisches Stück Frauenliteratur, wie gemacht für eine „Ladys Night“. Dass der Film bei mir dennoch nachhaltig hängen geblieben ist, hat zwei Gründe. Zum einen ist der Soundtrack zum Film durchweg hervorragend. Ruhige Klavier- und Streichermusik, teils dezent mit afrikanischen Instrumenten vereint, sorgen jederzeit für die richtige Stimmung und verstärken das Drama, ohne es in eine kitschige Ecke zu manövrieren. Zum anderen gibt Sally Hawkins wie schon in „Happy-Go-Lucky“ einen echten britischen Sympathiebolzen, den man nach wenigen Minuten tief ins Herz geschlossen hat.
Doch damit kommen wir auch schon zum kleinen Makel: Hauptdarstellerin Liya Kebede hat es schwer, neben Hawkins zu bestehen. Es hat nicht nur bei mir eine ganze Weile gebraucht bis man mit ihr so halbwegs warm geworden ist. Irgendwie wollte der Funke nicht wirklich überspringen. Gut hingegen war wiederum „die zwölfjährige Waris“, gespielt von Soraya Omar-Scego. Warum das mit der Chemie zur „Groß-Waris“ nicht klappen wollte, kann ich rational noch nicht mal nachvollziehen.
Was allerdings gut nachvollziehbar ist, ist mein Groll über die schlechte Recherche. Naja, Recherche… Sagen wir mal so: es gehört nicht wirklich viel dazu, um zu wissen, dass im Jahr 1991 selbst in der somalischen Botschaft noch keine Flachbildschirme vorhanden waren. Auch wären mir diese hochmodischen und extra-stylishen Oral-B-Zahnbürsten der heutigen Zeit Ende der 80er Jahre sicherlich auch schon aufgefallen. Kurzum: da wurde ziemlich geschlampt.
Zugute halten muss man dem Film dann auf der anderen Seite wiederum, dass er mit kleinen Dingen viel Aussage generiert. So spielt das Alltags-Element Wasser hier eine wichtige Rolle, um die Unterschiede der afrikanischen und europäischen Kultur zu verdeutlichen. Immer wieder gibt es beiläufig Szenen, in denen klar gemacht wird, dass für eine Somalierin, die früher das Wasser eimerweise von der Quelle nach Hause tragen muss, ein funktionierender Wasserhahn mit Kalt- und Warmwasser alles andere als selbstverständlich ist.
Ach, Andy, bring es auf den Punkt: der Soundtrack und Sally Hawkins sind die Gründe, die diesen Film wirklich gut machen. Gut und für Interessierte vermutlich echt sehenswert. Ich kam zumindest nicht mit dem Gefühl aus dem Kino: „…und so’n Grütz hast Du nur Deiner Frau zuliebe geguckt.“
Anders als man es bei der Lebensgeschichte eines Supermodels erwarten würde, ist das Thema Mode kein Schwerpunkt. Die persönliche Entwicklung Waris Diries steht im Mittelpunkt. Wie sie sich ein Leben als junge Frau in London aufbaut. Ein Leben, das so völlig anders ist, als sie es als Kind und Jugendliche leben musste. Und die schockierende Erkenntnis, dass man ihr mit der Genitalverstümmlung schlimmes angetan hat, während die Frauen in der „modernen“ Welt frei leben können und Spaß haben dürfen! Waris Outing vor ihrer Freundin Marylin „anders zu sein“ ist beklemmend direkt und intensiv dargestellt – großartig!
Marylin durch Sally Hawkins zu besetzen ist ein großer Gewinn für den Film. Jede Szene mit ihr macht Spaß. Auch Timothy Spall als Fotograf und Craig Parkinson als Scheinehe-Mann könnten nicht besser gewählt sein. Volle Punktzahl für die Besetzung.
Mode ist wie gesagt nur Nebensache. Das Hauptthema ist und bleibt die Genitalverstümmelung. Die „Beschneidung“ selbst wird in einem Rückblick dargestellt. Ein kleines schreiendes Mädchen, von der Mutter festgehalten, auf einem Felsen liegend, dem von einer alten Frau mit schmutziger Rasierklinge alles weggeschnitten wird, was eine Frau ausmacht.
Dieser Eingriff verändert und beeinflusst Waris Diries ganzes Leben. Der Kampf gegen das Unrecht, dem unzählige Mädchen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind, wird ihr Kampf.
Ein wirklich gelungener Film.
Die Hauptdarstellerin Liya Kebede ist traumhaft hübsch, Sally Hawkins ist großartig, die Filmmusik ist geschickt gesetzt und der Titelsong ist einer der besten dieses Jahr.
Leider gibt es Abzüge dafür, dass man sich nicht mal ansatzweise Mühe gemacht hat, die richtige Kulisses und Accessoires zu finden. Der Film spielt überwiegend in den 80ern. Da gehören keine Hightech-Zahnbürste, kein schmales Apple-Notebook, keine Porsche-Cayenne etc ins Bild. Das hat mich in dieser massiven Häufigkeit echt geärgert. Dafür, aber auch nur dafür gibt es Punktabzug!