Drehbuch: Wayne Kramer
Schauspieler*innen: Harrison Ford, Ray Liotta, Alice Eve, Ashley Judd
Kinostart D: (FSK 16)
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: Crossing Over
Laufzeit: 1:53 Stunden
Filmkritik zu Crossing Over – Der Traum von Amerika
Der Film handelt Einzelschicksale von Menschen ab; Schicksale und Ereignisse, wie sie tagtäglich in den USA passieren. Und doch sind diese Schicksale so ergreifend und schockierend zugleich, dass man sich fragt, warum man sich nicht früher einem solchen Thema angenommen hat. Von Anfang an wird eine intensive, bedrückende Stimmung geschaffen, die kleinen Lachern zum Trotz nie richtig abebbt.
Jeder findet in einem der vielen Protagonisten eine Identifikationsfigur und fiebert mit dieser mit, denn das Ziel, in den USA zu bleiben haben alle. Nichtsdestotrotz ist jedes Einzelschicksal derart gut beleuchtet, mit solch normalen Personen wie du und ich besetzt, dass kein Handlungsstrang langweilig oder gar unglaubwürdig klingt.
So normal, so alltäglich – und gerade deswegen so packend.
Es gibt Themen im Leben, die erreichen einen im Alltag häufig nur als nichtssagende Schlaglichter. Schicksale, die einem persönlich unbekannt sind und im Fernsehen gerne „weggezappt“ werden. Nur selten beschäftigt man sich mit manchen Dingen, die bei vielen Menschen das gesamte Schicksal bestimmen. Umso wichtiger, dass gute Filme auf die uns unbekannten Problematiken hinweisen.
Die Vereinigten Staaten gelten seit jeher als „Land Of The Free“, jenes Land, das so vielen Menschen der „alten Welt“ eine schönere Zukunft versprochen hat. Millionen und Abermillionen haben in den vergangenen Jahrhunderten teils beschwerliche Reisen auf sich genommen, um im „gelobten Land“ das Glück zu finden. „Crossing Over“ wirft aus unterschiedlichsten Perspektiven einen Blick Menschen, die in der jetzigen Zeit versuchen, in den USA leben zu dürfen. Denn die Zeiten, in denen jeder Neubürger mit Freude aufgenommen wurde, sind dank Arbeitslosigkeit und Terrorangst lange vorbei…
„Crossing Over“ schafft die Meisterleistung, sich dem Thema „illegaler/legaler Aufenthalt in den USA“ aus verschiedenen Richtungen zu nähern und alle Handlungsstränge mehr oder weniger gekonnt ineinander fließen zu lassen. Der wohl typischste Fall ist eine junge Mexikanerin, die durch Schlepperbanden in die Staaten geschleust wird. Dass Einbürgerung und Aufenthaltsrecht aber auch für nicht ganz so offensichtliche Personengruppen ein großes Thema ist, sieht man in anderen Episoden des Films. Eine australische Schauspielerin ist bereit, für eine Greencard alles zu geben. Die Einbürgerung einer koreanischen Familie erlangt den Status eines großen Familienfestes. Ein Schulaufsatz, der sich mit den Anschlägen des 11. Septembers auseinandersetzt, wird bei der vorherrschenden Paranoia als Beweis für geplante Selbstmordattentate gewertet – die Schülerin samt Familie wird ausgewiesen. Und dann war da noch die persische Familie eines Mitarbeiters der Einwanderungsbehörde, die mit dem allzu westlichen Lebensstil der eigenen Tochter nicht glücklich werden kann.
Man sieht: der Aufenthalt in den USA ist nicht nur für Menschen aus Entwicklungsländern mit vielen bürokratischen Sanktionen verbunden. Dass diese Bürokratie in weiten Teilen nur noch unmenschlich und menschenundwürdig genannt werden kann, merkt man spätestens dann, wenn ganze Familien durch die Ausweisung einzelner Familienmitglieder auseinander gerissen werden. Oder eben auch wenn die gerade erfolgreiche Schauspielerin trotz Jobs des Landes verwiesen wird. Während die einen die Gesetze nach ihren eigenen Spielregeln auslegen und sich somit Vorteile verschaffen (wie der glänzend aufspielende Ray Liotta), findet sich die Menschlichkeit eigentlich nur in einer Person: Max Brogan (Harrison Ford) einem alternden Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde. Der nämlich stimmt nicht in den Kanon seiner Kollegen ein, die sich gegenüber den Illegalen als wahre Herrenmenschen aufspielen, sondern entwickelt Anteilnahme für die Schicksale der Abgeschobenen. Umso beeindruckender, dass er diesen Weg unbeeindruckt beschreitet und sich so bei der Kollegenschaft mehr und mehr ins Abseits manövriert.
„Crossing Over“ ist kein Film des ganz großen Dramas, sondern einer, der viele unscheinbare Dramen in den Mittelpunkt rückt. Er macht durch seine Vielschichtigkeit in bedrückender Weise aufmerksam auf die Probleme von Menschen fremder Herkunft, die in den USA einfach nur ein geregeltes Leben leben wollen – teilhaben wollen am „großen Traum“, und nicht dürfen. Überzeugende Schauspieler und authentische Stories tragen dazu bei, dass einem das ein oder andere Mal ein ziemlicher Kloß im Hals sitzt. Dieser Film ist unbequem – und gerade deswegen so gut und wichtig.