Drehbuch: David Lynch, Frederick Treves, Christopher De Vore, Eric Bergren, Ashley Montagu
Schauspieler*innen: Anthony Hopkins, John Hurt, Anne Bancroft, John Gielgud
Kinostart D: (FSK 12)
Kinostart US: (FSK PG)
Originaltitel: The Elephant Man
Laufzeit: 2:05 Stunden
Filmkritik zu Der Elefantenmensch
Ein Film, der im Jahr 2020 40-jähriges Jubiläum feiert. Von David Lynch, der den Meisten von Twin Peaks bekannt sein sollte, aber auch weitere Filme drehte, in denen seine surrealen Gedanken Bahn brachen. Und dann noch in schwarz-weiß.
Dem allgemeinen Zuschauer mögen das zu viele Faktoren sein, eher Abstand von diesem Film zu nehmen. Dabei würden sie einen Meilenstein der Filmgeschichte verpassen: Nicht nur, dass der Film hinsichtlich seiner Aussage und Dramaturgie kein Stück gealtert ist. David Lynch wollte mit diesem Film den Sprung in den „Mainstream“ schaffen – und dieser Film war sein Durchbruch in das, was man allgemein als „Mainstream“ bezeichnet. Allein acht Oscar-Nominierungen im Jahr 1981 sprechen für sich.
Der Film basiert auf der wahren Geschichte von John Merrick, der von 1862 bis 1890 lebte und eine dem Film ähnliche Leidensgeschichte durchlebte: Als „Freak“ ausgestellt, wurde er vom Chirurgen Fredereick Treves untersucht und später im Klinikum aufgenommen.
Man nahm sich bei der Umsetzung des Films jedoch eine gute Portion künstlerische Freiheit heraus, viele Dinge dramaturgisch anzureichern. Das mag einen faden Beigeschmack haben, stört beim Sehen des Films jedoch nicht. Stattdessen identifiziert man sich mit der Figur deutlich besser, als würde sie an die Realität angelehnt dargestellt: So war der reale John Merrick aufgrund seiner Deformationen kaum verständlich und auch seine soziale Integration war bei weitem nicht so ausgeprägt, wie es der Film inszeniert.
Jedoch funktioniert der Film erst so gut, dass man Empathie aufbaut und dem Verstoßenen nur das Beste wünscht. Das Böse erst richtig spürt. Und die Nächstenliebe.
Inhaltlich hat der Film nichts von seiner Aussagekraft verloren. Zwar mag es in heutigen Zeiten befremdlich erscheinen, dass professionelles Krankenhauspersonal bei Ansicht eines Patienten in Hysterie verfällt, aber der Plot positioniert sich im späten 19. Jahrhundert, in dem soziale Gepflogenheiten nicht mit den heutigen vergleichbar sind. Dennoch greift der Film sehr deutlich auf, wie unvermittelt man einen Menschen auf Basis seiner Optik und seines ersten Eindrucks verurteilt. Eine Schlüsselszene ist, wie die Königin Victoria sich für Merrick ausspricht: Es braucht einen mächtigen Fürsprecher, um aus dem Teufelskreis ausbrechen zu können und den nötigen Schritt nach oben zu schaffen. Früher wie heute.
Inszenatorisch hat der Film nichts an Wirkung verloren. Der Kniff, Merrick erst nach knapp einer halben Stunde zu zeigen und vorher lediglich im Schattenriss oder mit Leinen überdeckt, war eine gute Entscheidung. Man baut selbst die eigentlich angeprangerte Neugierde gegenüber diesem schnaufenden und japsenden Wesen auf, ist nach der Enthüllung aufgrund der aufgestauten Erwartungen ebenso schockiert. So wird Merrick hervorragend als Antiheld eingeführt, der sich erst im Laufe des Films die Sympathien erarbeiten muss, statt von Anfang an Verständnis zu erhalten.
Die Wahl der schwarz-weißen Darstellung passt nicht nur in das späte Victorianische Zeitalter, es unterstreicht auch noch einmal die Gefühlswelt von Merrick: Ganz zu Anfang nur im Schattenriss, später nur im fast dunklen Dachgiebel dargestellt, wird nicht nur der Dachgiebel, sondern auch der gesamte Film zusehends heller, weniger kontraststark und „wärmer“ als es jedes Farbbild hätte einfangen können.
Ein Film, der vermutlich nie an Aussagekraft verlieren wird und mit seinen teils stereotypen Charakteren die Aussage erreicht, die solche Menschen wie Merrick verdient haben:
„I am not an animal.
I am a human being.
I’m a man.“