Drehbuch: Quentin Tarantino
Schauspieler*innen: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington
Kinostart D:
Kinostart US: (FSK R)
Originaltitel: Django Unchained
Laufzeit: 2:45 Stunden
Filmkritik zu Django Unchained
Heute gibt’s hier ausnahmsweise mal was ganz besonderes: die Kritik mit zitierter Kritik. Hat auch einen Grund: eigentlich liegen der Filmblogger CineKie und ich filmtechnisch schon fast gruselig genau auf einer Wellenlänge. Auf seine Filmkritiken ist Verlass wenn ich mal eine unabhängige Meinung brauche. Was seine Gesamtwertung mit 7/10 für Tarantinos neuestes Werk angeht, liegen wir auch nicht weit auseinander. Spannend fand ich jedoch, dass er in diesem Falle die einzelnen Abschnitte des Films komplett anders wertet als ich das tue. Vielleicht ist es ja auch für Euch ganz interessant zwei so unterschiedliche Meinungen zu lesen, die doch beide zu dem Ergebnis kommen, dass „Django Unchained“ ein ganz okayer Film ist. Dann mal los: CineKies Anmerkungen sind eingerückt.
Wie sage ich es nur am freundlichsten … ah, ich hab’s: „Django Unchained” ist eine Enttäuschung. Kein schlechter Film. Sogar ein recht guter Film. Und dennoch eine Enttäuschung. Woran das liegt? Nun, auf jeden Fall nicht am ersten Drittel, in dem Django vom Sklaven zum Kopfgeldjäger reift. Dieses bietet genau das, was ich von dem Film erwartet habe: Zynischen Humor, skurrile Szenen, mehr oder weniger subtile Gesellschaftskritik und bissige Dialoge. Ja, das erste Drittel macht richtig Spaß. Nicht zuletzt dank Christoph Waltz, dessen Dr. King Schultz eine wahre Freude ist und Jamie Foxx bzw. Django trotz dunkler Hautfarbe einfach nur blass aussehen lässt.
Der Film lässt sich tatsächlich gut in Drittel aufteilen. Von denen war das erste jedoch nur so Mittelmaß. Gerade Christoph Waltz ist selten über das Erwartbare hinaus gekommen. Natürlich ist ihm die Rolle des kultivierten Schlitzohrs mit den tiefgründig-komischen Sprüchen ebenso auf den Leib geschneidert wie in „Inglorious Basterds“ und „Gott des Gemetzels“, aber hier wirkten mir die Sprüche eine Ecke zu smart und vorhersagbar. Waltz wirkt im bekannten Umfeld, bietet aber kaum neue Facetten. Jamie Foxx erfüllte als der coole Killer alle Western-Klischees, die ich ihm auch gerne abgenommen habe.
Das erste Drittel lebt für mich vor allem auch viel von der Hingabe zum Western-Thema: Tarantino beginnt seinen Film mit standesgemäßer Musik a la Ennio Morricone (der tatsächlich auch drei Lieder zum Soundtrack beigesteuert hat) und westernülichen Credits. Bei vielen Kameraeinstellungen dachte ich mir: „Ja, so’n Shot darf in keinem echten Western fehlen.“ Meine Angst, dass Tarantino aus einem Western einen abgefahrenen Popkultur-Mix aus „Django“, „Shaft“ und „Pulp Fiction“ machen würde, war unbegründet. Er hält sich sehr rigide an die Konventionen des Genres (das man sogar auf Italo-Western eingrenzen könnte) und lässt nur in sehr gekonnt gesetzten Dosierungen ein wenig Style in Form von Hip-Hop-Tönen durchscheinen.
Doch dann beginnt das zweite Drittel, in welchem Leonardo DiCaprio seinen großen Auftritt hat. Und der Film beginnt in der Belanglosigkeit zu versinken. Wobei dies keinesfalls DiCaprios Schuld ist. Dieser hat sichtlich Spaß an seiner Rolle, nur ist die Figur Calvin Candie schlicht und einfach uninteressant. Dies trifft leider auch auf die meisten Dialoge zu, in denen zwar viel gesprochen, aber nur wenig gesagt wird, und denen jeglicher Biss fehlt. Nein, das zweite Drittel macht nicht so richtig Spaß. Die einzigen Ausnahmen bilden der gelungene Kurzauftritt von Ur-Django Franco Nero und der wie immer grandiose Samuel L. Jackson, der durchaus einige Akzente setzen kann und somit über die vielen langatmigen Szenen hinwegtröstet.
Genau das habe ich komplett anders empfunden. Für mich waren die Dialogszenen auf der Candie-Ranch das absolute Highlight des Films und für mich wesentlich spannender als jegliche finalen Schießereien. DiCaprio war selten so gut. Schnell war mir klar, dass ich den Film allein schon wegen DiCaprios Monologen noch einmal in der OV gucken muss. Grandios und weit oscarwürdiger als Christoph Waltz. Auch Samuel L. Jackson kann mit einer absolut unerwarteten Transformation aufwarten, die einmal mehr seine schauspielerische Klasse beweist. Dass die Dialoge inhaltslos wären kann ich so auch nicht unterschreiben. Was bei diesen Dialogen unterhalb der gesprochenen Worte so vor sich hin schwelt, hat mich sehr an die großartige Kneipen-Szene aus „Ingloriuos Basterds“ erinnert, in der Diane Kruger und Michael Fassbender gegen den misstrauischen August Diehl ihre Tarnung aufrecht erhalten wollen. Das ist für mich spannend. An Brillanz kaum zu übertreffen. Für mich das Zitat des Filmes schlechthin: Dr. King Schultz sagt zu einer Harfespielerin im Candie-Anwesen „Hören sie endlich auf Beethoven zu spielen“. Großes Kino, richtig groß. Manchmal wünschte ich mir, dass Quentin Tarantino sich mal daran machen würde, Theaterstücke zu schreiben. Was er dialogtechnisch konstruieren kann ist noch weitaus größere Kunst als seine blutigen Action-Szenen.
Im letzten Drittel nimmt der Film dann wieder Fahrt auf, schafft es jedoch nicht, an die Klasse des ersten Drittels anzuknüpfen. Die Dialoge treten in den Hintergrund und machen Platz für blutige Schießereien, die es durchaus in sich haben und gerne ein wenig länger hätten dauern dürfen. Außerdem darf man sich als Zuschauer auf ein Wiedersehen mit dem einen oder anderen bekannten Gesicht freuen. Und darauf, dass Quentin Tarantino ganz offensichtlich auf explosive Abschiede steht.
Das letzte Drittel ist (leider) typisch Tarantino. Da hat er im Mittelteil mal wieder aufgezeigt wie genial er auch ohne Action atemberaubende Spannung erzeugen kann und schon muss der Film wieder mit einer Blut-Orgie enden. Hier sind die Pferde wieder mit Quentin durchgegangen. Blutige Schießereien, schön und gut. Aber dass ganze Wände flächig rot vor Blut sind und sich leblose Körper immer noch ein paar Patronen extra einfangen müssen, um noch mal ein wenig Blut-Fleisch-Hirn-Mansche in der Szenerie zu verteilen, hätte man sich sparen können. Die Schießereien in „Django Unchained“ insgesamt sind sehr blutig, blutiger als in vielen anderen Western. Das ist okay, weil realistisch und für einen kleinen Teil des Publikums auch ein wenig abschreckend. Aber ich fand es schade, dass ein Film, der tatsächlich viel Hintersinn bietet und eben nicht nur von Filmbeginn bis –ende die blutrünstigen Splatter-Fans bedient, in so einem Gore-Porn enden muss. Mir persönlich waren die Schießereien am Ende hin eher viel zu lang(weilig). Vor allem, dass Tarantino nach dem eigentlichen Endkampf es nicht schafft endlich zum Ende zu kommen („Wie? Der große Kampf war doch schon? Der muss doch jetzt vorbei sein?“), muss er sich als echten Schnitzer ankreiden lassen.