Drehbuch: Jordan Peele
Schauspieler*innen: Lupita Nyong'o, Winston Duke, Elisabeth Moss, Tim Heidecker
Kinostart D: (FSK 16)
Kinostart US:
Originaltitel: Us
Laufzeit: 1:56 Stunden
Filmkritik zu Wir
Darum werde ich, der HERR, Unheil über sie bringen, dem sie nicht entrinnen können. Und wenn sie zu mir um Hilfe schreien, höre ich nicht darauf.
(Jeremia 11,11)
Eine junge Familie fährt in ein Haus nahe Santa Cruz, um dort zu entspannen. Doch gleich am ersten Abend stehen vier Personen in roten Overalls in der Einfahrt. Sie lassen sich nicht verscheuchen, im Gegenteil: Sie brechen gewaltvoll ins Haus ein, verhalten sich ungewöhnlich, teilweise schon fast abnorm, und scheinen das Quälen zu verfolgen. Die Hintergründe hierzu bleiben lange unklar. Schnell wird klar, dass diese Familie nicht nur aussieht wie die Protagonisten, sondern sich nicht ohne Grund „Die Verbundenen“ nennen.
Diese Szenen des Einbruchs und der Unterdrückung der Familie sind packend inszeniert und stellen, was den Spannungsbogen betrifft, das absolute Highlight dar.
Was dann folgt, ist eine recht klassische, aber zugleich blutige Erzählung: Gegenwehr, Flucht, Verfolgung und Tod. Erst am Ende scheinen die Motive der „Verbundenen“ durch, was die Spannung lange aufrecht erhält: Immer mehr erfährt man über die Hintergründe, jedoch nie das zugrundeliegende Motiv der Menschen, die augenscheinlich weltweit auftauchen. Sie treten stets abseits der gewohnten Norm auf, was sie unmenschlich wirken lässt, obwohl sie normale Menschen zu sein schein: Eher grunzend in der Kommunikation, immer der Realität entrückt, verzerrte Gesichter.
Zugleich sorgt die Auflösung am Ende dafür, dass der Film sich viel Interpretationsspielraum nimmt. Statt einen Raum zu schaffen, der den Zuschauern trotz recht klarer Ausrichtung zum Austausch anregt, löst der Film am Ende seine Motive auf. Er versucht zusätzlich, mit einer Überraschung am Ende den Schlag in die Magenkuhle zu geben, was jedoch noch unpassender wirkt.
Die Message von Jordan Peele ist deutlich klarer als in seinem Vorgängerwerk Get Out , jedoch hätte dem Film etwas Zurückhaltung gut getan, um auf Basis richtiger Impulse einen Denkprozess beim Zuschauer anzustoßen.
Die Zurückhaltung trifft auch auf den Genremix zu: Lassen sich Psychohorror ala Funny Games und brutale, blutige Szenen noch gut miteinander verbinden, so beraubt sich der Film der darin liegenden Spannung, indem er stets kleine Witze und Oneliner verbaut. Intensive Szenen werden ganz bewusst gebrochen, wodurch die Durchschlagskraft von Jordan Peeles Message immer wieder leidet.
Stellt man das teils unglückliche Drehbuch in den Hintergrund, so überzeugt der Film: Die „Verbundenen“ sind allesamt in ihrer Art und Weise extrem beängstigend. Gerade, weil man sie als vollwertige Menschen identifizieren, aber ihre Entrücktheit nicht weiter kategorisieren kann, geht von ihnen eine unangenehme Aura aus. Die Besetzung des Films harmoniert hervorragend. Besonders muss man dennoch Lupita Nyong’o hervorheben, die in ihrer Doppelrolle beiden Charakteren einen ganz eigenen Stil einhaucht – und als augenscheinlich Wissende in beiden Rollen verunsichert.
Die Musik arbeitet mit vielen Dissonanzen und unterstreicht so die unangenehme, unklare Situation, der sich die Familie stellen muss.
Es ist schade, dass der Film mit einem vorauseilendem Erklärungsdrang und dem unbändigen Willen des Humors viele Potentiale verschenkt, die den Film auch nachhaltig wahrnehmbar gestaltet hätten.