Drehbuch: Rafael Lara Ruiz
Schauspieler*innen: Ilean Almaguer, Angélica Aragón, Tomás Goros, Alberto Guerra
Kinostart D: (FSK 16)
Originaltitel: El quinto mandamiento
Laufzeit: 1:36 Stunden
Filmkritik zu Der Kreuzmörder
Der Film beginnt mit einem Monolog Victors. Direkt in die Kamera. Es geht um das Masturbieren und seine Jugend, um die Fittiche der wenig liebevollen Mutter und den pädophilen Pfarrer seiner Gemeinde, um Sünde und Erlösung.
Erst als Victor aufhört zu reden, wird dem Zuschauer bewusst, dass dieser Monolog nicht an ihn gerichtet war, sondern an Victors Opfer. Ein nacktes, gefesseltes Mädchen, aus dessen Blick wir ihn beobachtet haben.
Ein eindrucksvoller und verstörender Beginn für diesen Film, der zu weiten Strecken aus der Perspektive Victors erzählt wird. So macht Regisseur Rafael Lara direkt zu Anfang deutlich, wie krank und eigentlich hilfsbedürftig sein Protagonist ist.
Das Interessante daran, diese Geschichte aus der Sicht von Victor zu erzählen, liegt im Mitleid, das sich schnell für ihn einstellt. Ähnlich wie im Roman „Voyeur“ von Simon Beckett lassen sich die Motive und Kindheitstraumata nachvollziehen. Man wünscht sich nicht, dass das perverse Schwein endlich gefangen wird, sondern hofft, dass der arme junge Mann, den wir dort beobachten, therapeutische Hilfe bekommt, um von seinem fanatisch religiösen Auftrag erlöst zu werden.
Zwischendurch wechselt der Blick zu Detective Garcia, der mit einem Alkoholproblem zu kämpfen hat und unter dem Druck seines Vorgesetzten steht, den Mörder nach elf toten Mädchen endlich aufzuspüren.
So langweilig sich die Rolle des Garcia anhört, so blass und uninteressant bleibt sie auch im Film. In wenigen Dialogen wird kaum mehr über ihn erfahren als das, was uns das Klischee des Detective, der selber zu viele Probleme hat, bereits aus unzähligen anderen Filmen lehrt.
Das Problem des Films ist, dass diese Eindimensionalität sich durch sämtliche Charaktere und Handlungen zieht: Die oben beschriebene, an sich sehr spannende Erzählperspektive wird nicht in ihren Möglichkeiten genutzt, um wirklich eine packende Storyline zu entwickeln. Man versteht nach wenigen Szenen Victors Motive, die sich ebenso wie die Handlung bis zum Ende des Films nicht ändern.
Es findet also weder eine Entwicklung der Charaktere noch der Handlung statt. Der Film hat kein Ziel, auf das er hinausläuft, kein Problem, vor dem der Protagonist steht, außer seiner geistigen Krankheit, die sich wie gesagt nicht entwickelt, verändert, oder überhaupt glaubhaft im Vordergrund steht.
So tröpfeln die Ereignisse vor sich hin und spätestens nach der Hälfte der Laufzeit fehlt jede Motivation, noch auf das Ende zu warten – es spielt keine Rolle, was passieren wird, weil mit keinem der Charaktere eine Identifizierung stattfinden kann. Mangels eines wirklichen Helden, fehlt die hinreichende Auseinandersetzung mit dem kranken Geist Victors, um den Zuschauer tatsächlich auf seine Seite zu holen. Und Garcia ist sowieso bei weitem zu uninteressant dafür.
Im Endeffekt sind dem Zuschauer alle Personen gleichmäßig unwichtig.
Einen großen Beitrag dazu leisten jedoch auch die teilweise vollkommen überzogenen Monologe von Victor. Anstatt Spannung zu erzeugen, kommt bei den fortwährenden religiösen Rechtfertigungen und verworrenen Weltansichten sehr schnell Langeweile auf. Es macht keinen Spaß, bei ewigen Wiederholungen des bereits bekannten Problems zuzuhören, es ist schlichtweg uninteressant und unnötig für die Handlung.
Schuld an den mitunter unerträglichen Mono- und Dialogen ist allerdings zu Teilen die grauenhafte deutsche Synchronisation. Emotionslos und eintönig vorgetragen, geht viel der Wirkung des kranken Hauptcharakters verloren, wenn man es mit dem spanischen Original vergleicht.
Hinzu kommen große Logikprobleme in der Vorstellung der Charaktere, die im Widerspruch zu einigen später im Film vorkommenden Handlungen und Dialogen stehen und die die sowieso wenig detailliert und tiefgründig gezeichnete Darstellung des Protagonisten und seiner Probleme nicht gerade aufbessern.
Insgesamt also ein Film, der zwar durch das Dunkle seiner Atmosphäre im Stil spanischer Filme und gerade durch seine etwas unkonventionelle Perspektive viele Möglichkeiten hätte, davon jedoch keine ausnutzt.
Interessante Aspekte, tiefgehende Darstellung der Psychologie eines überaus gestörten Geistes, spannende Handlungsschritte, Überraschungen – nichts davon findet sich in ‚Der Kreuzmörder‘.
Die Frage nach der Schuld für die Taten, die der Film pseudo-philosophisch versucht in den Mittelpunkt zu stellen, bleibt am Ende ungeklärt. Missbrauch durch den Pfarrer? Schlechte Erziehung der Mutter? Oder bleibt die Schuld doch bei Victor allein, der sich vielleicht doch gar nicht helfen lassen möchte?
Das schlimmste daran: Es interessiert mich nicht mal, welche Antworten der Film hätte geben wollen oder geben können.